Es steht schlecht um die Finanzen der Stadt Darmstadt. Wochen und Monate wurde an der Vorlage für einen Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 gearbeitet. Zum Jahreswechsel stand noch ein jährliches Defizit von 100 Millionen Euro im Raum. In der Stadtverordnetenversammlung vom 03. April 2025 stand nun der finale Entwurf für den Etat zur Debatte, das Minus schrumpfte dabei auf 36,9 Millionen Euro. Ein Grund zum Aufatmen ist das dennoch nicht, wie Kerstin Lau in ihrer Rede zur Finanzlage der Stadt Darmstadt feststellt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
erstmal: Wir möchten uns bei der Koalition, der SPD, dem Magistrat und der Verwaltung dafür bedanken, dass wir einen genehmigungsfähigen Haushalt haben. Besonderer Dank geht an Andre Schellenberg und Hanno Benz für die Installation des Runden Tisches Haushalt, in dem alle Fraktionen regelmäßig über den aktuellen Stand informiert wurden.
Wir stehen vor einem Haushaltsloch von 100 Millionen Euro – und für 36 Millionen gibt es noch keine Deckung. Es ist richtig, dass Bund und Land zugesagte Mittel nicht bereitgestellt haben, zum Beispiel 7 Millionen Euro für Geflüchtete oder 50 Millionen Euro für die Sanierung des Klinikums. Doch es reicht nicht, NUR auf andere zu verweisen. Auch die Stadt muss Verantwortung übernehmen und ihren Haushalt nachhaltig sanieren.
Die Zahlen sprechen für sich: Die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung in deutschen Kommunen beträgt 4.133 Euro, in Hessen etwa 5.790 Euro. Doch in Darmstadt lag sie Ende 2023 bereits bei 7000 Euro im Kernhaushalt. Damit liegen wir nicht nur deutlich über dem Landesdurchschnitt, wir liegen auch deutlich über dem Bundesdurchschnitt – und das schon seit Jahren.
2025 sind 920 Mio Euro an Ausgaben geplant. Der Schuldenstand wiederum betrug Ende 2024 1,16 Milliarden. Wir haben mehr Schulden als ein gesamtes Jahresbudget. Bei einem Wirtschaftsunternehmen würde man von Insolvenz reden.
In wirtschaftlich guten Jahren haben wir Strukturen aufgebaut, die wir heute nicht mehr finanzieren können. Politik neigt dazu, immer weiter neue Maßnahmen zu beschließen, ohne bestehende kritisch zu hinterfragen. Niemand wird fürs Sparen gewählt. Entscheidungen, die wir heute treffen, haben aber auch langfristige Folgen und das geht in beide Richtungen. Wir können paradoxerweise sowohl zu viel als auch zu wenig ausgeben.
Wenn wir eine Generationengerechtigkeit wollen, müssen wir in die richtigen Dinge investieren, in Bildung, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und die Energiewende. Nachhaltige Finanzpolitik bedeutet, heute kluge Entscheidungen zu treffen, anstatt später auf drastische Sparmaßnahmen angewiesen zu sein oder sogar das System zum Kollabieren zu bringen.
Schauen wir uns an, wofür wir Geld ausgeben: Mathildenhöhe, Kunstdepot, Lichtwiesenbahn, Ludwigshöhstraßenbahn – alles Projekte, die hohe Summen verschlingen. Dabei kostet uns jeder 100-Millionen-Kredit 13 Millionen Euro jährlich an Zins und Tilgung. Insgesamt betragen die Schuldendienstkosten ca. 48 Millionen Euro pro Jahr, das sind fünf Prozent unseres Haushalts.
Wenn man den Kernhaushalt umrechnet, geben wir pro Einwohner fast 6.000 Euro aus, während der Durchschnitt in Deutschland bei 4.500 Euro liegt. Die Frage ist: Spüren die Menschen in unserer Stadt etwas von diesen hohen Aufwendungen? Tragen diese zu ihrer Zufriedenheit bei?
Es wäre interessant, an dieser Stelle mal die Menschen zu fragen, die in den letzten Monaten und Jahren Dienste der Verwaltung in Anspruch genommen haben, wie es funktioniert hat. Vieles hat sich verbessert, aber es gibt immer noch Klagen, dass man keine Termine bekommt, es gibt Berichte von Gewerbetreibenden, die irgendwelchen Genehmigungen monatelang hinterher rennen oder intransparenten Prozessen gegenüberstehen. Wir haben letztes Jahr über eine Verspätungsquote des ÖPNV von über 80 Prozent gesprochen, die Parks und Sportanlagen sind häufig überfüllt, die Sportvereine sind finanziell am unteren Limit, die Mieten sind hoch, die Barrierefreiheit in der Stadt ist vielfach unzureichend – und diese Liste lässt sich fortführen.
Und vielleicht sind das alles nur Momentaufnahmen von einzelnen Unternehmen und von einzelnen Menschen und einzelnen Vereinen, das weiß ich nicht.
Der Sozialetat umfasst 181 Millionen Euro, von denen ca. 34 Prozent des Aufwandes nicht durch Kostenerstattungen von Bund oder Land gedeckt sind. Der Etat für Kinder, Jugend und Familien umfasst mit 211 Millionen Euro ca. 22 Prozent des Haushaltes, von denen 81 Prozent des Aufwandes nicht durch Bund oder Land gedeckt werden. Und wir möchten gerade in diesen Bereichen auch gar nicht sparen, nur mal die Frage stellen: wir machen viel, aber machen wir auch das Richtige?
Denn trotz dieses hohen Etats versorgt die ehrenamtlich arbeitende Darmstädter Tafel mittlerweile 3.000 Menschen mit Essen. 4.389 Kinder und 2.050 junge Erwachsene sind im SGB-II-Bezug. In der Kirchtannensiedlung sind 51 Prozent der Kinder im Leistungsbezug, in Kranichstein sind es 35 Prozent der Kinder. Die Jugendzentren und Schulen berichten davon, dass die Kinder und Jugendlichen hungrig kommen. Wir akzeptieren, dass unsere Schulen als Lern- und Lebensorte für Kinder unzureichend sind, statt aber massiv mit allen Mitteln gegenzusteuern und Strukturen zu schaffen, die den Familien, den Kindern und Jugendlichen Halt geben, akzeptieren wir lieber, dass wir mittlerweile 40 Millionen Euro an Integrationskosten für Kinder mit seelischen Behinderungen zahlen.
Gleichzeitig fasst die Stavo den Beschluss, die günstigste Demokratisierun- Maßnahme, die wir in dieser Stadt haben, die vielen jungen Menschen Kraft und Halt gibt, den OHA Osthang dadurch zu zerstören, dass an dessen Stelle am Osthang ein teures Informationszentrum für das Welterbe Mathildenhöhe gebaut wird.
Da kommt dann das Argument, das zieht ja Touristen an. Ja, Tourismus ist auch ein Faktor in Darmstadt. Trotzdem muss man sich überlegen, was ist denn nachhaltiger? Investiere ich Millionen in Touristen, die im Durchschnitt 140 Euro bei Übernachtungsgästen und 30 Euro bei Tagesgästen hier lassen? Oder investiere ich in die Menschen und Unternehmen, die hier leben und zu Hause sind, dauerhaft konsumieren und Steuern zahlen?
Und da greife ich mir jetzt mal eine Maßnahme zur Haushaltskonsolidierung raus. Statt bezahlbaren Wohnraum zu sichern, zieht die Stadt erneut Millionen aus der Bauverein AG für Ausschüttungen ab, obwohl eigentlich der Bauverein dieses Geld für energetische Sanierungen des eigenen Wohnungsbestandes benötigt.
Gleichzeitig ist im Gespräch, dass sich die Bauverein AG in den nächsten Jahren von einem (kleinen) Teil ihres Wohnungsbestandes trennt, um ausreichend Budget für die energetische Sanierung der restlichen Wohnungen zu haben.
Und auch wenn es sich nur um einen geringen Teil des Wohnungsbestandes handelt: Es ist genau dieser sowieso schon minimale Gestaltungsspielraum, den die Stadt über den Bauverein auf den Wohnungsmarkt ausüben kann, der für viele Menschen die einzige Hoffnung ist, hier überhaupt an bezahlbaren Wohnraum zu kommen.
Ist es tatsächlich der Wunsch der Menschen, die hier leben, dass dieser sowieso schon geringe Gestaltungsspielraum noch weiter verringert wird? Dazu kommt dann noch, dass wir als Kommune ja auch in Konkurrenz zu anderen Kommunen stehen und den Unternehmen z.B. klarmachen müssen, warum sie ausgerechnet zu uns kommen oder hier bleiben sollen.
Wir müssen die uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um den Attraktivitätsfaktor der Stadt zu erhöhen. Und da behaupte ich, dass es den jungen Arbeitskräften und den Unternehmen relativ egal ist, ob wir ein Welterbe haben, eine Lichtwiesen-Bahn oder Ludwigshöhe-Straßenbahn, aber wonach die Menschen und auch die Unternehmen schauen ist, ob sie bezahlbaren Wohnraum für sich oder ihre Beschäftigten finden.
Und genau darauf haben die gängigsten Maßnahmen zur Sanierung des Haushaltes in den vergangenen Jahren, nämlich die Erhöhung der Gewerbesteuer und die Erhöhung der Grundsteuer, nicht eingezahlt.
Politik muss klare Gestaltungsziele haben. Wir können nicht immer neue Maßnahmen auf bestehende Strukturen setzen und hoffen, dass es schon funktioniert. Strukturelle Anpassung bedeutet, sich auch von „alten Zöpfen“ zu trennen und sich auf die Maßnahmen zu fokussieren, die wirksam sind. Aber habt ihr Eure Ziele wirklich parat? Führt ihr eine Priorisierung von Maßnahmen und Angeboten durch? Wisst ihr wirklich genau, was mit dem Geld der Stadt umgesetzt wird?
Die politische Erwartungshaltung muss sich anpassen und wir brauchen eine nachhaltige Steuerung der Finanzen, mit der wir uns nachhaltig und zukunftsfähig aufstellen. Es geht nicht darum, kurzfristig zu sparen, sondern langfristig tragfähige Strukturen schaffen, die dann auch kosten dürfen.
Hier setzt unser Antrag an. Er fordert Transparenz darüber, welche Subventionen die Stadt bereit stellt. Denn viele Menschen wissen nicht, dass Eintrittspreise für kulturelle Angebote, Schwimmbäder oder Gebühren für Kitas oft mit hohen Steuermitteln gestützt werden.
Unsere Forderung ist einfach: Bei allen von der Stadt Darmstadt subventionierten Eintrittspreisen und Gebühren soll künftig transparent ausgewiesen werden, in welcher Höhe eine Subvention erfolgt. Diese Information soll sichtbar kommuniziert werden, z.B. durch Aushänge oder Online-Informationen oder einen Aufdruck auf den Tickets der entsprechenden Institution.
Das Schöne daran: Diese Maßnahme ist nahezu kostenneutral. Es geht nicht um neue Bürokratie, sondern um eine transparente Information der Öffentlichkeit. Falls es in der Umsetzung Schwierigkeiten gäbe, müssten wir uns fragen: Weiß die Stadt selbst nicht genau, wohin das Geld fließt? Werden die Rechenschaftsberichte der Träger nicht ausgewertet? Dann wäre es umso wichtiger, jetzt endlich Transparenz zu schaffen.
Transparenz ist kein Selbstzweck. Sie ist die Grundlage für eine nachhaltige, generationengerechte Stadtpolitik. Sie gibt den Menschen das Vertrauen zurück, dass ihr Geld sinnvoll eingesetzt wird. Und sie ermöglicht es, Prioritäten auf Basis von Fakten zu diskutieren. Deshalb bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Vielen Dank!