Uffbasse Position zu Komponistenviertel

Uffbasse zu Veänderungsdruck im Komponistenviertel

Sehr geehrter Herr NN 1), sehr geehrte Damen und Herren,
wir bitten um Nachsicht, dass wir Ihnen erst jetzt auf Ihre Mail und Ihr Anliegen antworten.
Der Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans O24 wurde 2006 gefasst und umfasst ca. 3 Viertel des Quartiers zwischen Bahn und Dieburger Straße. Für das östliche in der Ecke Dieburger Straße und Fasanerie gelegene 4.Viertel existieren 2 gültige B-Pläne. Die Begründung zur Aufstellung des O24 war, der §34 des BauGB biete keine ausreichende Möglichkeit, den Gebietscharakter des Viertels zu erhalten gegenüber dem sich damals schon abzeichnenden Veränderungsdrucks.
Die einfache Schlussfolgerung wäre – jetzt den B-Plan O24 zurück ins Verfahren zu bringen und möglichst schnell als Satzung zu beschließen. Konsequenterweise würde es auch eine Veränderungssperre geben für max. 4 Jahre. Aktuelle Vorhaben, für die bereits ein Bauantrag oder eine Bauvoranfrage eingereicht sind, wären von dem Verfahren bzw. der Veränderungssperre jedoch nicht betroffen.
Der 2006 angeführte Veränderungsdruck hat seitdem zugenommen. Darmstadt wächst und freie Flächen für Wohnungsbau sind knapp was letztlich Wohnen immer teurer macht. Die Frage ist – nicht nur im Komponistenviertel – wie kann es unter diesen Rahmenbedingungen gelingen, den Charakter der Stadt insgesamt und besonders in ganz bestimmten Quartieren und Vierteln zu erhalten. Mehr Personen in dem bestehenden Wohnraum unterzubringen ist rechtlich ebenso wenig möglich wie z.B. eine Verkaufssperre für (freiwerdende) und ältere Einfamilienhäuser und deren Abriss für den Bau neuer großer Wohnblöcke.
Wir haben und werden sicher immer wieder unter uns über diese Folgen des Wachstums diskutieren und haben keine rundum zufriedenstellende Antwort gefunden. Ein Einfrieren des Status quo für ausgewählte Viertel erscheint uns bei der Dynamik des Wandels nicht realisierbar. Dieser Dynamik und diesen Wachstumsgedanken stehen wir kritisch gegenüber.
Wir verstehen und teilen Ihre Beobachtungen und Befürchtungen ebenso wie Ihre Forderung. Auch wir können uns generell eine maßvolle und qualitativ passende Nachverdichtung auf großen Grundstücken vorstellen. Dies müsste bei der Bearbeitung eines Bauantrages besondere Beachtung finden. Ob eine in diesem Sinne restriktive Auslegung und Anwendung des §34 BauGB letztlich vor Gericht bestehen wird, ist ungewiss.
Daher ist der Bebauungsplan eine Möglichkeit, diese Nachverdichtung zu regulieren. Wir werden versuchen Einfluss zu nehmen auf einen Bebauungsplan, der den Charakter des Viertels bewahrt. Als wirksame Maßnahme gehört eine Veränderungssperre dazu.
Eine gute bestehende Möglichkeit bietet das Vorkaufsrecht der Stadt. Die konsequente Anwendung mit späterer Wiederveräußerung oder Vergabe in Erbpacht würde es ermöglichen, für einen Neubau oder Erweiterung verbindliche Vorgaben festzulegen. Dabei besteht natürlich die Option, für diese Vorgaben neben den städtebaulichen auch sozialen und sonstigen Aspekte im Sinne des Gemeinwohls zu berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen

1) Namen aus Datenschutzgründen gelöscht
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Anfrage per E-Mail von Bewohnern des Komponistenviertel
Sehr verehrte Stadtverordnete,
das westliche Komponistenviertel unterliegt einem erheblichen Veränderungsdruck. Mit zunehmender Dynamik werden Einfamilienhäuser von Investoren aufgekauft, abgerissen und durch seelenlose, mehrstöckige, schuhkartonartige und quadratmeter-optimierte Gebäude mit vielen Wohneinheiten ersetzt.
Zuletzt hat ein Investorenprojekt auf dem Eckgrundstück Dieburger Straße und Regerweg für Aufsehen gesorgt (Artikel im Echo am 15.08.2020). Hier entstehen auf einem 2120 m² großen Grundstück, auf dem bisher ein Einfamilienhaus mit eingewachsenem Garten, uralten Bäumen und einer Streuobstwiese stand, zwei massive Gebäude mit einer in der Umgebung beispiellosen Gesamtwohnfläche von über 2.000 m², verteilt auf über 20 Wohneinheiten und zzgl. einer weitläufigen Tiefgarage, die fast das gesamte Grundstück einnimmt. Es gibt im westlichen Komponistenviertel, der ehemaligen Gartenstadt ‘Hohler Weg’ (heute: Richard-Wagner-Weg) und heute einem architektonischen und kulturhistorischen Kleinod, bis dato keine vergleichbaren Gebäudekomplexe. Die Baugenehmigung wurde mit Bezug auf § 34 BauGB (Einfügungsparagraph) und mit Hinweis auf andere Bausünden im weiteren Umfeld erteilt.
Die Stadtverordnetenversammlung hat bereits vor Jahren diese negative Entwicklung, die § 34 BauGB ermöglicht, vorausgesehen und dem Aufstellungsbeschluss (Vorlage-Nr. 2006/0479) für einen Bebauungsplan O24 für das westliche Komponistenviertel am 19.09.2006 und damit folgender Feststellung fast einstimmig zugestimmt (Zitat aus
dem Antrag zur Aufstellung des Bebauungsplans):
“Durch nachträgliche Verdichtungen und bauliche Veränderungen besteht die Gefahr, dass der städtebauliche Charakter des Gebietes verloren geht. In Teilbereichen ist
dies schon jetzt der Fall. Das bestehende Planungsrecht – in großen Teilen des Gebietes muss bei der Beurteilung von Baugesuchen § 34 BauGB angewandt werden – hat sich als wenig tauglich erwiesen, die bauliche Entwicklung so zu steuern, dass der Gebietscharakter erhalten bleibt.”

Trotz des vorliegenden Magistratsbeschlusses aus dem Jahr 2006, dem Wildwuchs durch Aufstellung eines Bebauungsplanes Einhalt zu gebieten, haben sich die städtischen Verwaltungen bis zum heutigen Tage als unfähig und unwillig erwiesen, diesem demokratisch legitimierten Auftrag nachzukommen.
Am 28.10.2014 erschien ein Artikel zum Stand des Bebauungsplans in der Frankfurter Rundschau (https://www.fr.de/rhein-main/darmstadt/aussen-betrachtet-11176456.html), der deutlich macht, dass die Stadt bereits viel Zeit und Geld in die Aufstellung des Bebauungsplans investiert hat. Die Stadt ignoriert also seit vielen Jahren nicht nur den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, sondern lässt auch die zwischenzeitlich durch ein beauftragtes Planungsbüro erfolgte kostspielige Vorarbeit liegen.
Bei manchem Bürger werden Erinnerungen an die unsägliche städtebauliche Verunstaltung des historischen Zentrums unserer geliebten Heimatstadt durch das Luisencenter in den 80er Jahren wach. Aus diesen Erfahrungen heraus gab es in der Bürgerschaft und bei ihren gewählten Interessenvertretern einen breiten Konsens, dass solche Bausünden zukünftig unter allen Umständen zu vermeiden seien. Sogar ein Gestaltungsbeirat wurde eigens hierzu einberufen, um die Stadtplanung mit frischem Expertenblick von außen zu unterstützen.
Jedoch wird dieser bei dem Investorenprojekt Regerweg und anderen Projekten, die das westliche Komponistenviertel schrittweise massiv verändern, schlicht ignoriert.

Vor diesem Hintergrund fordern wir, die beschlossene und begonnene Aufstellung des Bebauungsplans abzuschließen. Ist dies kurzfristig nicht möglich, fordern wir nach § 14 BauGB eine Veränderungssperre für den Planbereich zu erlassen. Bis zum Beschluss einer Veränderungssperre sollen nach § 15 BauGB die Entscheidungen über die Zulässigkeit von Bauvorhaben für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten ausgesetzt werden.
Wird nicht entsprechend gehandelt, sehen wir folgende Gefahren:
– Der städtebauliche Charakter des Viertels wird unwiederbringlich verloren gehen.
Dieses in weiten Teilen noch intakte Viertel Darmstadts mit vielen Vorkriegsbauten muss für die Zukunft bewahrt werden.
– Die maßlose Verdichtung wird unaufhaltsam voranschreiten und damit das Mikroklima negativ verändern und die Tier- und Pflanzenwelt zurückdrängen. Denn mit jedem Bau wird zusätzliche Fläche versiegelt, der vor baulichen Veränderungen ungeschützte Baumbestand vernichtet.
– Die Infrastruktur des Viertels mit kleinen Straßen, die häufig noch nicht einmal einen Gehweg haben, ist dem zunehmenden Verkehr nicht gewachsen. Dass Kinder auf den Nebenstraßen spielen können, wird der Vergangenheit angehören.
Durch die Möglichkeit auf kleinen Grundstücken große Luxus-Investorenprojekte umzusetzen, werden die Grundstückspreise ungebremst steigen. Familien werden sich nicht einmal mehr ein renovierungsbedürftiges Haus leisten können.
Wir unterstützen eine geregelte und maßvolle Verdichtung des Viertels unter Wahrung des Charakters. Ein Bebauungsplan soll nicht den Bestand festschreiben, sondern die Weiterentwicklung des Viertels steuern und damit für die bisherigen und neuen Bewohner ein lebenswertes und bezahlbares Umfeld schaffen. Ein Umfeld, das aktuell noch weitgehend intakt ist und das sich Investoren aktuell für ihre Vermarktung zu nutze machen und es dabei gleichzeitig zerstören. Mit einem Bebauungsplan können Baufenster und -fluchten definiert werden, der vorhandene Baumbestand und Grünflächen geschützt werden und der Baustil der Umgebung angepasst werden.
Bitte verhindern Sie, dass das westliche Komponistenviertel zu einer Spielwiese für Investoren und zu einem weiteren gesichtslosen Viertel mit engstehenden mindestens dreigeschossigen Flachdachbauten wird.
Wir würden uns über Ihre Unterstützung und eine Antwort freuen.