Ende Schriftgießerei Gerstenberg im Haus der Industriekultur?

Im Haus der Industriekultur betreibt Rainer Gerstenberg eine der letzten gewerblichen Schriftgießereien der Welt und bewahrt ein Jahrhunderte altes Handwerk vor dem Aussterben. Das Hessische Landesmuseum fordert jetzt plötzlich eine Räumung der Werkstatt. Das Museum hat dabei selbst keine Pläne für die Nutzung der Fläche. Es drohen Leerstand, Verfall und das Verschwinden eines traditionsreichen Handwerks.

Hier werden noch Bleilettern wie vor 100 Jahren gegossen. Rainer Gerstenbergs Schriftgießerei in Darmstadt ist einer der letzten Orte weltweit, an dem das möglich ist. Im Haus der Industriekultur lebt dieses uralte Handwerk weiter – noch. Denn der traditionsreichen Schriftgießerei droht die Schließung.

Gemeinsam mit 20 Ehrenamtlichen betreibt Rainer Gerstenberg seit 1996 im dritten Stock des Gebäudes in der Kirchenallee seine gewerbliche Werkstatt. In der Setzerei und Druckerei finden sich zahlreiche historische Maschinen, Gussformen und Zubehör der handwerklichen Druckkunst. In der professionellen Schriftgießerei fertigt Gerstenberg Drucklettern in allen Sprachen für internationale Institutionen an. Darüber hinaus hat der Druckerei auch schon etliche Interessierte durch den museal-historischen Teil des Gebäudes geführt.

Die hier angewandte Technik reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück, in die Zeit, in der Johannes Gutenberg den Buchdruck revolutionierte. Das 500 Jahre alte Kulturgut der handwerklichen Druckkunst hat die UNESCO 2018 in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen.

Der heute 76-jährige Gerstenberg kündigte Anfang des Jahres an, seinen Betrieb aus Altersgründen einschränken. Dabei äußerte er den Wunsch eine Nachfolge einzuarbeiten, um sein reichhaltiges Wissen weiterzugeben sowie die Werkstattausstattung als Schenk dem Hessischen Landesmuseum (HLMD) zu überlassen.

Das HLMD reagierte jedoch überraschend mit der Aufforderung, Gerstenberg müsse bis zum 31. Dezember seine Werkstatt räumen. Das wäre das Aus für eine der letzten gewerblichen Schriftgießereien der Welt. Weltweit wären Museumsdruckereien, für die Gesternbergswerkstatt mitunter die einzig verbleibende Anlaufstelle ist, in ihrer Existenz gefährdet.

Seit 2001 verwaltet das HLMD das Haus der Industriekultur als Außenstelle. An einem Tag der Woche (Dienstag, 10 bis 12 Uhr) ist nach Anmeldung hier der Besuch der „Abteilung für Schriftguss, Satz und Druckverfahren“ im Erdgeschoss möglich. Werbung hierfür wurde seitens des Museums schon vor langer Zeit eingestellt.

Der denkmalgeschützte viergeschossige Bau wurde 1906 im Auftrag des Hofmöbelfabrikanten Ludwig Alter als Fabrik vom Architekten Karl Klee errichtet. Bis 1985 wurde hier von der D. Stempel A.G. aus Frankfurt eine Schriftgießerei betrieben.

Anfang der 1990er gründete sich ein privater Verein. Dieser erwarb das Gebäude damals mit Unterstützung von öffentlichen Geldern des Landes Hessen und der Stadt Darmstadt für fünf Millionen Mark. Nach Umbau und Sanierung war der Verein jedoch zahlungsunfähig. Das Land Hessen übernahm das Gebäude. Fortan wurde dem HLMD die Verantwortung für die Immobilie als Außenstelle übertragen.

1996 hatte Gerstenberg mit dem Verein einen Mietvertrag für seine Werkstatt geschlossen. Seine Werkstatt konnte dieser trotz dem Wechsel der Eigentumsverhältnisse ohne Einschränkungen betreiben. 2003 wurde der ursprüngliche Mietvertrag aufgelöst. An seine Stelle trat ein mündlicher Vertrag mit dem HLMD. Mit der Aufforderung seine Werkstatt aufzulösen, wird auf Gerstenberg jetzt plötzlich und anlasslos hoher Druck ausgeübt. Dabei betont dieser stets, dass er gerne bereit seit Miet- und Nebenkosten zu zahlen und sogar einen Ausbildungsplatz – in Verantwortung des HLMD – zu betreuen.

Die Außenstelle des Hessischen Landesmuseums Darmstadt.
Einblicke in das Haus für Industriekultur.

Fraglich ist, was nach der drohenden Räumung mit der Fläche passieren soll. Dr. Martin Faass, Direktor des HLMD, gibt zu, dass sein Haus keine Pläne für die Flächen der Werkstatt habe. Für die notwendige, aufwendige Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes stünden die nächsten 15 bis 20 Jahre keine Mittel zur Verfügung, heißt es von den Verantwortlichen. Die Folge wäre: Das Haus für Industriekultur würde nach dem Auszug Gerstenbergs einfach nur leer stehen und dem Verfall überlassen sein.

Mit einer Petition machen derzeit tausende Unterstützer auf die Bedeutung von Gerstenbergs Druckwerkstatt aufmerksam und hoffen auf ein Einlenken des HLMD sowie der politischen Entscheider in Stadt und Land.

Für die kommende Stadtverordnetenversammlung am 28. September 2023 haben wir nun als Fraktion Uffbasse einen Antrag eingereicht, der den Rauswurf von Gerstenbergs Werkstatt verhindern soll und handfeste Lösungen für das Haus der Industriekultur formuliert. Wir halten Euch auf dem Laufenden!

 

2 Kommentare

  1. Klasse Antrag für die nächste StaVo.
    Ich würde den Kollegen in der StaVo mal eine Besichtigung vorschlagen.

  2. In Ihrem Text sind zahlreiche Details nicht korrekt wiedergegeben. Bitte nehmen Sie folgende Tatsachen zur Kenntnis:

    Falsch ist: “Gemeinsam mit 20 Ehrenamtlichen betreibt Rainer Gerstenberg seit 1996 im dritten Stock des Gebäudes in der Kirchenallee seine gewerbliche Werkstatt.” – Richtig ist: 20 Ehrenamtliche betreiben im Erdgeschoss und im ersten Stock des HIK die Abteilung Schriftguss, Satz und Druckverfahren des HLMD als aktives Museum. Herr Gerstenberg betreibt alleine im dritten Stock seine Schriftgießerei.

    Falsch ist “Der heute 76-jährige Gerstenberg kündigte Anfang des Jahres an…Das HLMD reagierte jedoch überraschend mit der Aufforderung” – Richtig ist: Herr Gerstenberg äußerte diesen Wunsch bereits 2019 gegenüber dem HMWK und bot seinen Teil der Maschinen als Schenkung an. Im Frühjahr 2023 fiel dann bei der Überprüfung der Engeriekosten des HIK auf, dass Herr Gerstenberg keinen Nutzungsvertrag für die Flächen im HIK hat und dass er weder Miete noch Nebenkosten zahlt. Er wurde darauf hingewiesen, dass dieser Zustand im Widerspruch mit der Landeshaushaltsordnung steht und in dieser Form nicht über den 31.12.2023 hinaus fortgesetzt werden kann.

    Falsch ist: “Werbung hierfür wurde seitens des Museums schon vor langer Zeit eingestellt.” – Richtig ist: Wie alle Abteilungen unseres Hauses ist auch die Abteilung Schriftguss, Satz und Druckverfahren über unsere Homepage sichtbar. Werbekampagnen werden von uns prinzipiell nicht für Dauerpräsentationen, sondern nur für Sonderausstellungen gefahren.

    Falsch ist: “Bis 1985 wurde hier von der D. Stempel A.G. aus Frankfurt eine Schriftgießerei betrieben.” – Richtig ist: Die D. Stempel A.G. ist ein Frankfurter Unternehmen, das 1985 in Frankfurt aufgelöst wurde. 1986 wurden die Maschinen und sonstigen Geräte der Schriftgießerei Stempel von Frankfurt nach Darmstadt in das Haus für Industriekultur verlagert.

    Falsch ist: “fünf Millionen Mark” – Richtig ist: 5,5 Mio. Mark

    Falsch ist: “Nach Umbau und Sanierung war der Verein jedoch zahlungsunfähig.” – Richtig ist: Die von dem Verein eingeworbenen und aufgenommen Mittel reichten bei weitem nicht aus, um das Gebäude zu sanieren und umzubauen. Der große Sanierungsbedarf war ein Grund für die Zahlungsunfähigkeit des Vereins

    Falsch ist: “Mit der Aufforderung seine Werkstatt aufzulösen, wird auf Gerstenberg jetzt plötzlich und anlasslos hoher Druck ausgeübt.” – Richtig ist: Herr Gerstenberg nutzt gewerblich eine Fläche des Landes Hessen. Das Fehlen einen Nutzungsvertrages ist dabei keine Petitesse, sondern ein zwingender Anlass darauf hinzuweisen, dass die Nutzung in der jetzigen Form so nicht weiter fortgesetzt werden kann.

    Interessant ist: “Dabei betont dieser stets, dass er gerne bereit sei, Miet- und Nebenkosten zu zahlen.” – Diese Äußerung hat er gegenüber dem HLMD noch nie geäußert.

    Falsch ist die Schreibweise “Faas” – Richtig ist: Faass

    Falsch ist: “Das Haus für Industriekultur würde nach dem Auszug Gerstenbergs einfach nur leer stehen” – Richtig ist: Die Flächen des HIK sind und werden auch zukünftig im Erdgeschoss und im ersten Stock durch die Abteilung Schriftguss, Satz und Druckverfahren des Landesmuseum genutzt; der zweite Stock wird als Reparaturwerkstatt und Ersatzteillager für Druckmaschinen genutzt. Die Gießmaschinen im dritten Stock, die Herr Gerstenberg nutzt, gehören zu 2/3 dem Hessischen Landesmuseum, bleiben also im Haus stehen; alle übrigen Flächen sind als Lagerflächen für Vitrinen, Kisten u. a. Museumsbedarf genutzt.

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