Am Mittwoch, 26.10.22, hatte die Bürgerinitiative Pro Bürgerpark zu einer „Bürgerversammlung“ auf den Riegerplatz eingeladen und Vertreter:innen der Darmstädter Politik um Beiträge zum umstrittenen Bauvorhaben am Elfeicher Weg im Bürgerpark (Magistratsvorlage 2021/0286) gebeten. Hier findet Ihr die Rede von Uffbasse-Fraktionschefin und Oberbürgermeister-Kandidatin Kerstin Lau.
Ich stehe hier für die Fraktion Uffbasse und möchte gerne noch mal begründen, warum wir den Verkauf des Grundstücks Elfeicher Weg und die Bebauung mit ablehnen.
Für uns werden Stadtentwicklung, verkehrs- und wohnraumpolitische als auch ökologische und sozialpolitische Fragen, die mit diesem Bauvorhaben auf einen Irrweg geführt werden.
Bei diesem Thema kristallisiert sich ein zentraler Konflikt heraus: Der Platz in Darmstadt ist knapp. Freie Flächen gehen zur Neige und die Konflikte um die beste Nutzung nehmen zu. Gleichzeitig wird ein stetiges Wachstum der Stadt forciert. Das ist ein systemimmanenter Gedanke des Kapitalismus, aber leider auch das Grundübel unserer Zeit.
Räumliche und natürliche Grenzen scheinen hierbei nämlich ausgeblendet zu werden, sodass wir nicht nur ökologisch in Notlagen geraten. So haben wir bereits jetzt mehr als genug Probleme, eine ausreichende Infrastruktur für alle Darmstädter:innen zur Verfügung zu stellen. Das Mantra des permanenten Wachstums lehnen wir als Uffbasse daher ab.
Die regierende Koalition kontert, dass neuer Wohnraum geschaffen werden müsse, um den angespannten Markt zu entlasten.
Aber was genau soll denn hier eigentlich gebaut werden?
Errichtet werden sollen 47 großzügig gestaltete Wohneinheiten – für Reiche. Die Planung rechnet unter 30 Wohneinheiten pro Hektar statt, wie im Regionalplan vorgesehen, 60 Wohneinheiten pro Hektar zu kalkulieren. Noch dazu werden 92 ebenerdige Parkplätze auf dem Gebiet geschaffen. Alle Bebauungspläne der letzten Zeit haben mit einem reduzierten Stellplatzschlüssel von circa 0,7 Stellplätzen pro Wohneinheit gearbeitet. Hier jedoch werden nicht 0,5 Parkplätze pro Wohneinheit, auch nicht 0,7 oder 1 Parkplatz pro Wohneinheit zur Verfügung gestellt. Nein, es sind, die Einliegerwohnungen mit einberechnet, 1,2 Stellplätze pro Wohneinheit! Lässt man die Einliegerwohnungen, die in der Regel von den Kindern bewohnt werden, außen vor, ist man bei 2 Parkplätzen pro Wohneinheit.
Ist das zeitgemäß? Geht so Verkehrswende? Solange man Autos als Statussymbol der Reichen akzeptiert und unterstützt, so lange braucht man sich auch nicht zu wundern, dass die Verkehrswende auf sich warten lässt.
Gleichzeitig bezahlt die Stadt 25 Mitarbeiter:innen der Kommunalpolizei, deren Hauptaufgabe es ist, im restlichen Stadtgebiet nach Falschparkern auf stetig verknappten Parkflächen zu suchen…
Noch dazu wird den Investoren gestattet, sich aus der Satzung für geförderten Wohnraum freizukaufen. Diese sieht eigentlich vor, dass größere Bauvorhaben zu 25 Prozent Sozialen Wohnraum und zu 20 Prozent Wohnraum für mittlere Einkommen zu schaffen.
Das Biotop im Bürgerpark verschwindet also für Luxus-Wohnraum und Parkplätze. Wenn man schon neue Flächen versiegelt und bebaut, dann doch wenigstens für günstigen Wohnraum, der in Darmstadt Mangelware ist.Dieses Bauvorhaben ist unterm Strich alles andere als eine Entlastung des Wohnungsmarktes!
Kommen wir zu den ökologischen Aspekten der Bebauung.
Zerstört wird eine Freifläche, die genauso wie sie ist, in ihrer Nicht-Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit einen riesigen ökologischen Nutzen darstellt. Darüber hinaus handelt es sich noch um eine Frischluftschneise für die Stadt. Diese Betonierung von Grünfläche wird auch nicht durch Dach- oder Fassadenbegrünung wieder gut gemacht. Flächenversiegelungen sind ein enorm massiver Eingriff in die Natur. Es dauert hunderte von Jahren, bis sich eine versiegelte Fläche nach ihrer Entsiegelung wieder erholt. Versiegelte Flächen sind ökologisch nahezu unwiederbringlich verloren. Wir fordern daher grundsätzlich den Stopp weiterer Flächenversiegelungen. Zuerst gilt es die etlichen bereits versiegelten Flächen in Darmstadt innovativ umzunutzen.
Politisch arbeiten wir in Darmstadt gerade am Aufstellen eines Hitzeplans, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Das wahrscheinlich effektivste Instrument wäre dabei, solche Flächen wie die, die hier zur Diskussion steht, zu erhalten. Genau solche Flächen senken die Temperatur in der Stadt!
Kommen wir zu den Auswirkungen auf das Soziale.
Der Bayrische Biergarten und die Grillhütte werden vielleicht nicht kurzfristig, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit mittelfristig geschlossen werden müssen. Denn es gibt in solchen Situationen keinen wirklichen Bestandsschutz und auch keine Lärmschutzmaßnahme, die verhindert, dass sich irgendjemand dann letzten Endes doch belästigt fühlt und klagt. Gerichte entscheiden in diesen Fällen immer für den Lärmschutz der Bürger:innen – auch wenn diese vorher genau wussten, wo sie hinziehen und wer ihre Nachbarn sind.
Damit sind wieder wichtige Orte des Zusammenlebens in Darmstadt bedroht. Nach dem Bangerts Eck, dem Green Sheep, dem Lokal Bodega werden womöglich auch die Grillhütte und der Biergarten verschwinden.
Insbesondere die Bedeutung der Grillhütte des Bezirksvereins Martinsviertel will ich hervorheben. Der Bezirksverein Martinsviertel prägt seit Jahrzenten das öffentliche Leben und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bewohner:innen im Viertel. Der traditionsreiche Vereine ist eine Integrationskraft vor allem auch für Alte und sozial Schwache. Die Grillhütte ist nicht nur eine beliebte und bezahlbare Adresse für Feste und Feiern aller Art, sondern auch die zentrale Finanzierungsquelle und ein wichtiger räumlicher Anker für die Kontinuität der Vereinsarbeit.
Weiterhin verliert der der Bürgerpark noch mehr seinen Charakter als innerstädtische Grünfläche. Dabei sind gerade die innerstädtischen Grünflächen so enorm wichtig sind für die Kurzerholung der Menschen. Der Bürgerpark muss als innerstädtische Grünfläche erhalten bleiben.
Ich habe das rechtliche Gutachten zum Normenkontrollverfahren gelesen, kann aber nicht einschätzen, ob es tatsächlich Chancen gibt, das Bauvorhaben noch zu verhindern.
Unabhängig davon, wie das alles ausgeht, muss die Politik etwas Wichtiges aus dem ganzen Vorgang lernen: Die Stadt muss ihr Vorkaufsrecht auf alle Grundstücke nutzen. Dies wurde schon 2006, damals noch von einer Koalition aus SPD und Grünen, versäumt und letztendlich ist es diese Entscheidung, die uns jetzt auf die Füße fällt. Das Vorkaufsrecht hätte den Zugriff privater Investoren verhindert und langfristige, weitreichende Einflussnahme auf dieses wertvolle Areal durch die öffentliche Hand eröffnet.
Die Nutzung des Vorkaufsrechts muss zur Prämisse für den Kauf aller freiwerdenden Flächen in der Stadt werden. Wir können uns kurzsichtige, politische Entscheidungen einfach nicht mehr leisten! Mehr denn je gilt es jetzt, die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu überprüfen. Denn nur so ist eine nachhaltige, politische Handlungsfähigkeit sichergestellt.