Kerstin Laus Rede zum Bauvorhaben am Elfeicher Weg im Bürgerpark (Magistratsvorlage 2021/0286) aus der Stadtverordnetenversammlung vom 11. November 2021.
Wir lehnen diese Vorlage wie in der Vergangenheit ab und gerne nenne ich auch noch einmal die Gründe hierfür.
Erstens lehnen wir den permanenten Wachstumsgedanken ab. Dieser ist zwar systemimmanent, aber leider auch das Grundübel, weshalb wir z.B. im ökologischen Bereich in einer solchen Notlage sind.
Darmstadt hat jetzt schon mehr als genug Probleme, ausreichend Infrastruktur für alle Bewohner:innen zur Verfügung zu stellen. Der Platz ist knapp und wir haben ständig Zielkonflikte. Die Unzufriedenheit der Menschen steigt ständig an. Man muss das nicht immer weiter eskalieren.
Diesmal soll ein wertvolles Biotop verschwinden zugunsten von Wohnraum für sehr privilegierte Menschen. Gegen die haben wir nix, aber diese Verschwendung von Fläche für ein paar Häuser ist einfach nicht mehr zeitgemäß, wo heute jedem klar sein dürfte, dass wir unseren Flächenverbrauch deutlich senken und nicht erhöhen müssen.
Diese Planung geht von unter 30 Wohneinheiten pro Hektar statt wie im Regionalplan – und der ist auch schon sehr großzügig – vorgesehen 60 Wohneinheiten pro Hektar aus.
Diese Verschwendung wird auch nicht durch Dach- oder Fassadenbegrünung wieder gut gemacht. Ihr kennt alle die Untersuchungen: Flächenversiegelungen sind ein enorm massiver Eingriff in die Natur. Versiegelte Flächen sind nahezu unwiederbringlich verloren.
Zerstört wird eine Freifläche, die genauso wie sie ist, in ihrer Nicht-Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit einen riesigen ökologischen Nutzen darstellt. Darüber hinaus handelt es sich noch um eine Frischluftschneise für die Menschen in der Stadt. Angeblich zieht der Wind ja wo anders hin, aber so ganz genau weiß man es auch wieder nicht, aber es passt halt besser in den Plan, deswegen behauptet man das einfach mal. Das Martinsviertel ist jetzt schon deutlich heißer als der Rest der Stadt, die Menschen werden jede weitere Verdichtung spüren. Wir müssten uns auch nicht so viele Gedanken um einen Hitzeplan machen, wenn solche Flächen einfach erhalten blieben und auch zunehmend wiederhergestellt würden. Denn genau solche Flächen senken die Temperatur in einer Stadt.
Das Gebiet wird jetzt geöffnet, aber ganz ehrlich: Glaubt ihr im Ernst, dass da irgendjemand spazieren gehen will? Die Fläche ist im Prinzip genauso für die Öffentlichkeit verloren wie vorher mit Zaun, nur ist sie darüber hinaus eben auch ökologisch verloren.
Der Bayrische Biergarten und die Grillhütte werden vielleicht nicht kurzfristig, aber mit Sicherheit mittelfristig geschlossen werden müssen, denn es gibt keinen Bestandsschutz und es gibt auch keine Lärmschutzmaßnahme, die verhindert, dass sich irgendein Idiot dann letzten Endes doch belästigt fühlt und klagt und peng: dann entscheiden die Gerichte immer für den Schutz der Bürger:innen – auch wenn die vorher wussten, wo sie hinziehen.
Wir wundern uns, dass die Grünen und Volt, die sich gerne als so sozial verkaufen, diesem Vorhaben zustimmen und damit eine Klientel bedienen, von der sie leugnen würden, dass es ihre eigene ist. Wie war das noch mal mit dem „Bezahlbar wohnen wie in Wien“? Achso, das war ja nur ein Wahlslogan…
Gefühlt entstehen in Darmstadt nur noch Viertel für „Privilegierte“, alleine schon durch den hohen Bodenpreis. Selbst mit der Satzung für geförderten Wohnraum in Höhe von 45 % verbleibt eine riesige Gruppe an Menschen, die sich weder die Preise des freien Wohnungsmarktes leisten kann noch unter die Gruppe der Menschen fällt, die Anspruch auf geförderten Wohnraum hat. Man hat fast das Gefühl, die ganze Stadt besteht nur noch aus Führungskräften. Nur blöd für die ganzen Führungskräfte, dass sich ein normaler Arbeiter Darmstadt gar nicht mehr leisten kann. Da kommt einem direkt dieser Ruderer-Witz in den Sinn, bei dem am Schluss keine Ruderer mehr im Boot sitzen, sondern nur noch Steuerleute, Obersteuerleute und ein Steuerdirektor. So ähnlich sieht es in Darmstadt auch langsam aus.
Das Lustigste und Traurigste zugleich bei dieser Vorlage ist die Schaffung von 92 Parkplätzen auf dem Gebiet. In der ganzen Stadt fährt mittlerweile eine Art „Auto Stasi“ des Stadtpolizei herum, die bevorzugt in den Nachtstunden anständige Menschen mit merkwürdig schlecht erstellten Zettelchen drangsaliert. Überhaupt wird in dieser Stadt ständig nur mit Druck und Verboten für Autofahrer gearbeitet, so als habe jeder, der Auto fährt, eine Charakterschwäche, wohingegen man die Arbeit an alternativen Angeboten deutlich vernachlässigt. Gleichzeitig akzeptiert man, dass am Bürgerpark in einem Biotop ein Bauvorhaben entsteht, in dem für 47 Wohneinheiten 92 ebenerdige Parkplätze geschaffen werden. Hier werden nicht 0,5 Parkplätze pro Haushalt, auch nicht 0,7 oder 1 Parkplatz pro Haushalt zur Verfügung gestellt, nein es sind fast zwei. Das hatten wir schon seit Ewigkeiten in keinem Bauprojekt mehr. Solange man Autos so sehr als Statussymbol der Reichen akzeptiert und unterstützt, so lange dürfte man eigentlich auch die normale Bevölkerung deswegen nicht schikanieren.
Der Bürgerpark ist mittlerweile vieles, ein Schulpark, ein Sportpark, ein Schwimmbadpark, ein Skatepark, aber aber keine innerstädtische Grünfläche mehr!