Offener Brief an die Geschäftsführung von Amazon Deutschland
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu unserem Erstaunen haben wir in der nachfolgend dokumentierten Recherche
festgestellt, dass über die Internetplattform Ihres Unternehmens offenkundig
nationalsozialistische Literatur vertrieben wird.
Die aufgelisteten Publikationen scheinen zwar gegenwärtig kein Bestandteil des
Produktportfolios Ihres Unternehmens zu sein, der Verkauf erfolgt jedoch durch
Privatanbieter_innen. Letztlich ist diese Unterscheidung irrelevant, trägt Amazon doch
die straf- und handelsrechtliche Gesamtverantwortung für alle Verkaufsplattformen,
die unter diesem Namen betrieben werden.
Gegenstand aller aufgeführten Beispiele ist die Verherrlichung oder Verharmlosung der
Ideologie des Nationalsozialismus.
Diese Ideologie war der Ursprung für den Ausbruch
des Zweiten Weltkriegs, für die Verfolgung, Internierung und schließlich industrielle
Vernichtung von Millionen Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passten. In
den letzten Monaten offenbarte sich in den Ereignissen rund um die Neonazigruppe
„Nationalsozialistischer Untergrund“ erneut, dass diese menschenverachtende
Ideologie bis heute fortwirkt und in tödliche Gewalt mündet.
Indem Amazon Deutschland dem Vertrieb der hier vorgestellten Literatur eine
Plattform bietet, trägt Ihr Unternehmen zur Verbreitung dieser menschenverachtenden
Ideologie bei.
Wir fordern Amazon Deutschland auf:
• die Sortimente von Privatanbieter_innen auf nationalsozialistische, rassistische
und antisemitische Publikationen zu überprüfen und diese gegebenenfalls
umgehend zu entfernen.
• Privatanbieter_innen nationalsozialistischer, rassistischer und antisemitischer
Publikationen umgehend zu sperren und gegebenenfalls strafrechtliche Schritte
einzuleiten.
• Kund_innen eine internetbasierte Kontaktmöglichkeit zur Verfügung zu stellen,
mittels derer Publikationen mit nationalsozialistischen, rassistischen und
antisemitischen Inhalten anonym gemeldet werden können.
Schließlich fordern wir Amazon Deutschland dazu auf, zu den Ergebnissen der
nachfolgenden Recherche öffentlich Stellung zu nehmen und setzen Sie davon in
Kenntnis, dass dieses Schreiben diversen Zeitungen, Verlagen und Organisationen zur
Verfügung gestellt wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Lehmann
Pressesprecher der Anti-Nazi-Koordination (ANK) Darmstadt
mail: ankdarmstadt@riseup.net / blog: ankdarmstadt.blogsport.de
Anlage:
– Beispiele verfügbarer NS-Literatur auf Amazon.de –
Härtle, Heinrich: Freispruch für Deutschland
http://www.amazon.de/Freispruch-für-Deutschland-Heinrich-Härtle/dp/B0000BIYIZ/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1337630325&sr=1-2
Heinrich Härtle war NS-Mitglied der ersten Stunde nachdem er bereits 1927 in die
Partei eintrat und kurz danach auch Mitglied des paramilitärischen Arms der NSDAP,
der SA, wurde. Bereits im Nationalsozialismus wirkte Härtle als umtriebiger Pseudo-
Wissenschaftler im Dienste des Nazismus an der Seite des führenden NS-Ideologen
Alfred Rosenberg. Als Mitarbeiter des sogenannten „Amt Rosenberg“ war Härtle
unmittelbar an der Entstehung von Schriften der NS-Propaganda beteiligt, die zum Ziel
hatten antisemitisches, rassenideologisches und menschenverachtendes Gedankengut
zu verbreiten und vor allem auch „wissenschaftlich“ zu legitimieren.
Während sein Kollege Alfred Rosenberg im Rahmen der Nürnberger Prozesse als einer
der Hauptschuldigen der NS-Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt wurde, war Härtle
nur bis 1948 in Gefangenschaft. In dieser Zeit wurde im sowjetisch verwalteten Teil
Deutschlands bereits ein Großteil von Härtels Schriften indiziert. Unbeirrt setzte Härtle
sein Treiben nach seiner Freilassung akribisch fort. Als einer der „aktivsten
rechtsradikalen Publizisten“1 beteiligte sich Härtle unter anderem als Herausgeber der
„Deutsche Wochen-Zeitung“, die mittlerweile von Gerhard Frey, dem ehemaligen
Bundesvorsitzenden der rechtsradikalen Partei DVU, vertrieben wird. Darüber hinaus
tritt Härtel als Autor und Herausgeber einer Mehrzahl von Büchern auf, die den
Holocaust und andere Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten leugnen oder
aufrechnen, antisemitische Verschwörungstheorien versuchen zu belegen oder die
Kriegsschuld Deutschlands anzweifeln. Ein besonders markantes Zitat aus dem Buch
„Freispruch für Deutschland“, das Härtels Standpunkt unmissverständlich deutlich
machen sollte, lautet: „Die ersten Kriegserklärungen gegen Deutschland kamen, das
kann nicht verschwiegen werden, von jüdischer Seite.“2
1 Grüttner, Michael: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik , abgedruckt
bei Ernst Klee: Kulturlexikon, S. 210.
2 Härtle, Heinrich: Freispruch für Deutschland, S. 245
Wir wandern und singen – Liederbuch der NS-Gemeinschaft “Kraft
durch Freude”
http://www.amazon.de/Liederbuch-NS-Gemeinschaft-Kraft-durch-Freude/dp/B002DTUQM8
Die Organisation Kraft durch Freude KdF ist nach dem Vorbild des italienischen
Freizeitwerkes unter dem Diktator Benito Mussolini entstanden. Robert Ley, Leiter der
Deutschen Arbeitsfront (DAF), hatte die Organisation im faschistischen Italien
kennengelernt. Mit Zustimmung Hitlers kam es am 27. November 1933 zur Gründung
des Freizeitwerkes KdF. Der Urlaubsanspruch der Arbeiterinnen und Arbeiter wurde
von 8 bis 12 Tagen (Weimarer Republik) von den Nazis auf 14 bis 21 Tage erhöht. Die
so neu „gewonnene“ Freizeit sollte der Ertüchtigung des deutschen Volkes im
nationalsozialistischen Sinne dienen. Letztendlich stand hinter der Freizeitorganisation
KdF der Gedanke an die Vorbereitung des Krieges, denn nur ein gesundes Volk könne
Krieg führen und diesen auch gewinnen.
KdF wurde zum größten “Reiseveranstalter” im Dritten Reich. Die eigene Hochseeflotte
brachte die Urlauber nach Norwegen, Madeira oder Italien, also in Länder, die ein
faschistisches Regime hatten oder mit Deutschland verbündet oder wohlgesonnen
waren. In den Genuss einer Hochseereise kamen meist nur treue NS-Angehörige oder
vermögende “Volksgenossen“, die sich solche Schiffsreisen leisten konnten.
Röder, Manfred: Ein Kampf ums Reich.
Eine Dokumentation und politische Streitschrift um die Nachfolge des Reiches
http://www.amazon.de/Dokumentation-politische-Streitschrift-Nachfolge-Reiches/dp/B003WN82XE
Manfred Roeder (geb. 1929) ist ein verurteilter Rechtsterrorist und Holocaust-Leugner.
1997 löste sein Auftritt als Referent in der Führungsakademie der Bundeswehr in
Hamburg einen Skandal und die grundsätzliche Debatte nach rechten Tendenzen in
der Truppe aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Manfred Roeder in Berlin als
Angestellter der US-Streitkräfte. 1967 wurde er als Rechtsanwalt zugelassen. 1970 trat
er in Bensheim an der Bergstraße der CDU bei. Dann gründete der erzkonservative
Vater von sechs Kindern die Deutsche Bürgerinitiative e.V., deren Ziel eine
“Erneuerung unserer Staats- und Sittenordnung” war. Zunächst beschränkten sich
seine Aktionen noch auf Anschläge mit Farbbeuteln auf Sexläden oder Proteste gegen
die “entartete Kunst” auf der documenta in Kassel. Anfang der 80er Jahre aber waren
Roeders “Aktionsgruppen” beteiligt, als Brandsätze auf Flüchtlingswohnheime flogen.
1982 wurde er als Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung zu 13 Jahren Haft
verurteilt. Seine Anhänger hatten 1980 zwei vietnamesische Asylbewerber getötet.
Bereits Mitte der 70er Jahre verfasste Manfred Roeder das Vorwort zur Broschüre Die
Auschwitz-Lüge des ehemaligen SS-Mannes und Altnazis Thies Christophersen.
Während seiner Haftzeit versorgte Roeder seine Anhänger mit Rundbriefen. 1990
wurde er wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Auf seinem sogenannten
“Reichshof” auf dem Knüll in Hessen veranstaltete der fanatische Nazi in den 90er
Jahren immer wieder internationale Szene-Treffen. Im Januar 1995 referierte Roeder
für sein “Deutsch-Russisches Gemeinschaftswerk” vor rund 30 Offizieren der
Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Als der Skandal zwei Jahre später
aufflog, wurde bekannt, dass er bereits 1994 ausgemusterte Fahrzeuge von der
Bundeswehr erhalten hatte. 1997 kandidierte Roeder für die NPD zur Bundestagswahl
in Stralsund. 2004 distanzierte sich seine “Deutsche Bürgerinitiative” von der NPD,
weil die Partei “keine Alternative zu den Systemparteien” sei. 2005 wurde der 76-
Jährige erneut zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt. 2007 nahm Roeder an der
Gründung der “Deutsch-Russischen Friedensbewegung Europäischen Geistes e.V.” mit
zahlreichen Neonazis wie Jürgen Rieger, Frank Rennicke und Thorsten Heise teil.
Gute Aktion!
Erfahren wir auch, was der Konzern antwortet?
Unwahrscheinlich, daß der sich zu ner Antwort herablässt.
Da isse….:
Guten Tag Herr Lehmann,
vielen Dank für Ihre E-Mail zu den unten genannten Katalogeinträgen auf
der Amazon Plattform.
Amazons Ziel ist es, Kunden die größtmögliche Auswahl an Produkten zu
bieten. Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass Amazon – oder jeder
andere Händler – nicht darüber entscheiden sollte, welche Titel bzw.
welche Inhalte von Kunden (nicht) erworben werden können, sofern sie legal
erhältlich sind. Allerdings enthalten unsere Teilnahmebedingungen unserer
Verkaufsplattform neben den allgemeingültigen inhaltlichen Kriterien auch
den expliziten Hinweis zum Verbot des Einstellens von „Propagandaartikeln
und Artikeln mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie
gewaltverherrlichendem oder rassistischem Material“ hinzugefügt. Werden
wir von Dritten über die Listung verbotener oder indizierter Titel und
damit über einen Verstoß gegen unsere Verkaufsbedingungen in Kenntnis
gesetzt, entfernen wir die entsprechenden Titel umgehend. Wir tun dies aus
oben genanntem Grund mit höchster Vorsicht und entfernen nur solche Titel,
bei denen die Kriterien eindeutig ist.
Darüber hinaus muss sich Amazon bei der der inhaltlichen Bewertung von
Titeln zum Schutz des Rechts der freien Meinungsäußerung auf die hierfür
zuständigen staatlichen Behörden als unabhängige Stellen verlassen, die
die jeweiligen Produkte umfassend prüfen können: die Gerichte und
Staatsanwaltschaften, sowie die Bundesprüfstelle jugendgefährdender Medien
(BPjM). Die Bundesprüfstelle wird auf Antrag tätig, die örtlichen
Jugendämter können einen solchen Antrag stellen.
Die Listung diskussionswürdiger Produkte bedeutet keinesfalls, dass Amazon
oder unsere Mitarbeiter mit Meinungen, die z.B. in bei uns erhältlichen
Titeln geäußert werden, sympathisieren oder solche Aussagen unterstützen.
Wir haben auch Ihr Schreiben zum Anlass genommen, die von Drittanbietern
auf der Amazon.de-Marketplace Plattform eingestellten Katalogeinträge zu
prüfen und diese entfernt, da sie nicht mit unseren Teilnahmebedingungen
übereinstimmen.
Ich hoffe, ich konnte unsere Haltung hier ein wenig erläutern. Ihr
Feedback ist uns wichtig – vielen Dank, dass Sie uns Ihre Meinung
mitgeteilt haben.
Beste Grüße,
Amazon.de GmbH
Leitung Public Relations
Und das finde ich auch gut und richtig so. Wer hat was davon, wenn Nazis und ihr blödsinniger Gedankenausfluss verboten werden? Meiner Meinung nach sollte alles frei verkäuflich sein, um dieses ganze Thema zu entmystifizieren, was eine viel bessere Prävention zu lässt, als in einer Situation in der die NPD, Mein Kampf und anderer brauner Unsinn einem Verbot unterliegen.
Wenn unser Augenmerk auf einer wirklich(!) demokratischen Gesellschaft liegt, dann widerspricht das ohnehin dem Nationalsozialismus. Es sollte, in meinen Augen, wichtiger sein sich auf aktuelle gesellschaftliche Strukturen und ihrem psychologischen, und somit auch politischen Hintergrund zu konzentrieren.
Wenn wir über diesen Berg sind, werden Nazis kein Thema mehr sein.
Darauf aufmerksam machen schadet natürlich trotzdem nicht. Gut auch, dass Amazon geantwortet hat.
Aha, nur dass ich das richtig verstehe: Amazon vertritt demnach also die Auffassung, dass die Meinungsfreiheit sie als Händler dazu zwingt, auch jede Meinung zu verbreiten?
Und der Hinweis auf ihre Teilnahmebedingungen finde ich schäbig, würden sie indizierte Schriften nicht entfernen, würden sie sich ja strafbar machen.
Aber sie haben die Titel doch entfernt?