Rede: Kerstin Lau zum Amtswechsel der Oberbürgermeister

Jochen Partsch geht, Hanno Benz kommt. Die Stadtverordnetenversammlung am 25. Juni 2023 stand ganz im Zeichen des Amtswechsels. In ihrer Rede verabschiedete Uffbasse-Fraktionsvorsitzende Kerstin Lau ihren langjährigen politischen Kollegen Jochen Partsch als scheidenen Oberbürgermeister und begrüßte im Anschluss Hanno Benz als neues Oberhaupt im Darmstädter Rathaus.

Hier findet Ihr eine Aufzeichnung der Rede im Stavo-Livestream-Archiv. Kerstins Rede ist zu sehen und zu hören in dieser Zeitmarke: 2:20:50 bis 2:29:50.

Kerstins Rede

Lieber Jochen,

seit zwanzig Jahren arbeiten wir politisch zusammen und wie es während so einer langen Wegstrecke, in der beide Seiten mit Leidenschaft für etwas brennen, so ist, hatten wir unsere Höhen und Tiefen.

Ich habe die Zusammenarbeit mit Dir sehr geschätzt. Du hebst Dich für mich sehr wohltuend ab von dem üblichen Politikertyp, der eher kontrolliert und steif seiner Tätigkeit nachgeht.

Bei Dir habe ich gespürt, dass die Politik und vor allem auch die Kommunalpolitik eine Berufung ist. Du hättest wahrscheinlich eine noch größere, noch bessere Karriere machen können, aber Du hast Dich immer fest in Darmstadt verortet.

Mit viel Herzblut hast Du hier Themen vorangetrieben und Dich eingesetzt. Du warst ein großer Mann in dieser Stadt und für diese Stadt und es wird nicht leicht sein, die Fußstapfen, die Du hinterlässt, zu füllen. Das wäre für keinen von uns Kandidat*innen leicht geworden.

Deine ersten sechs Jahre waren herausragend. Du hast die politischen Verkrustungen aufgebrochen, die Stadt gemeinsam mit Deinen Magistratskollegen gut aufgestellt und richtungsweisende Entscheidungen getroffen. In den letzten sechs Jahren waren die Herausforderungen hoch, aber insgesamt hast Du hast die Stadt gut durch alle Krisen gesteuert.

Georg Christoph Lichtenberg hat mal gesagt, es ist unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch das Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen. Ich glaube, das ist vor allem auch auf der politischen Bühne unmöglich, wo es auch immer darum geht, seinen eigenen Standpunkt deutlich und in Abgrenzung zu anderen zu zeigen. Und in einer Zeit, in der immer weniger Menschen das Standing haben, sich klar und deutlich zu positionieren, hast Du es immerhin erreicht, dass es in den sozialen Netzwerken von Deinen Gegnern einen leicht ironisch gemeinten Ausspruch gibt, mit dem man Dir die Verantwortung für so ziemlich alles Schlechte in Darmstadt in die Schuhe schiebt und dieser Spruch lautet, leicht mürrisch ausgesprochen: „Danke, Jochen!“

Ich empfinde das als Kompliment. Viel Feind, viel Ehr.

Du hattest den Mut, ein Regierungsmodell mit wechselnden Mehrheiten zu probieren, eine Kooperation zwischen CDU, Grüne und Uffbasse. Dieses Modell hat Dein Vorgänger noch als „Sandkastenspiele“ bezeichnet. Nun, der Erfolg hat uns in dieser Zeit recht gegeben, es war eine gute, konstruktive und produktive Zeit für alle demokratischen Parteien und es waren eher die reaktionären Kräfte bei den Grünen und der CDU, die sich wieder in einem festen Koalitionsmodell zubetonieren wollten.

Du warst in den letzten Jahren so ein bisschen in ein Machtvakuum geraten. Ob es die vielen Krisen waren oder Dein Umfeld, dass immer versucht hat Dich von anderen abzuschirmen oder ob es einfach der generelle, schleichende Prozess auf einer solchen Position ist, ich weiß es nicht.

Wir hatten manchmal unterschiedliche Ansichten und Du hast Dich dann sehr angegriffen gefühlt. Manchmal habe ich monatelang keine Begrüßung bekommen, manchmal haben die Menschen um Dich herum sich kaum getraut, mit mir zu reden, weil ich bei Dir in Ungnade gefallen war.

Ich habe Dir das komischerweise nie übelgenommen und fand es, ehrlich gesagt, auch immer ein bisschen drollig. Wenn man für etwas brennt, so wie Du es für diese Stadt getan hast, ist man sensibel und verletzbar. Und Du warst immer selbstkritisch und humorvoll genug, irgendwann wieder auf mich zuzugehen. Und diese versöhnende Haltung, Deine Selbstkritik, Dein Humor und Deine (außergewöhnliche) Menschlichkeit, die schätze ich wirklich sehr an Dir.

Du bist niemals zu einer Funktion verkommen, Du warst einfach immer Jochen. Ich kenne Dich, als Fraktionsvorsitzender, als Dezernent und ich habe Dich als Oberbürgermeister begleitet. Du bist immer der Jochen geblieben, der mitreißende Reden zu seinen Herzthemen gehalten hat, der gekämpft hat, der persönlich verletzt war, wenn andere eine andere Sichtweise hatten, der Gesichter während Redebeiträgen gezogen hat, die keinen Zweifel an seiner Meinung offengelassen haben und der immer ein bisschen den Schalk in den Augen hatte. Der eigentlich fast schon ein bisschen unprofessionell war in seiner Emotionalität, aber gerade dadurch so außergewöhnlich (und liebenswert) und so herausragend auf dieser Position. Denn diese Berührbarkeit ist ja auch eine Stärke.

In all den Jahren war es nie langweilig mit Dir, weil Du einfach kein Langweiler bist.

Du wirst mir fehlen. Du hast jetzt die schwierige Aufgabe, etwas loszulassen, was Du liebst. Ein neues Leben aufzubauen, in dem Du kein Funktionsträger bist und nicht mehr der mächtigste Mensch in der Stadt. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute und eine wundervolle Zeit. Deine besten Jahre kommen jetzt erst noch, Jochen. Sobald Du draußen bist, wirst Du Dich wundern, wie Du den Politik-Driss so lange ausgehalten hast.

Deshalb von ganzem Herzen ein: Danke, Jochen.

Lieber Hanno, auch wir kennen uns schon 20 Jahre. Als ich Dich kennen gelernt habe warst Du ein ziemlicher Hardliner und SPD-Parteisoldat. Dann hast Du eine Pause eingelegt und es gibt in Deiner Partei Menschen, die ich sehr schätze, zum Beispiel Tim Sackreuther und Tim Huß, die auf Dich schwören und sagen, Du habest Dich verändert.

Ich konnte in den letzten Monaten noch nicht ausreichend Erfahrungen mit Dir machen, um das zu bestätigen, aber ich kann Dir versichern, dass wir Dir offen und unterstützend zur Seite stehen und Dir ohne Vorbehalte begegnen. Es ist ein neuer Anfang.

Ich begrüße es sehr, dass der OB von einer anderen als der Regierungskoalition kommt und damit den Magistrat bunter macht und hoffentlich für mehr Offenheit sorgen wird. Wenn ich nicht an dieses Model glauben würde, wenn ich nicht denken würde, dass genau diese Vielfalt eine Bereicherung ist, hätte ich selbst nicht kandidiert.

Ich glaube, was durch die letzten Wahlen deutlich in Darmstadt geworden ist, ist doch das Eine: Die Menschen schauen hin. Es beteiligen sich zwar leider immer weniger Menschen an der Demokratie, aber die, die es tun, schauen sich die Leute, die sie vertreten sollen, genau an. Und deshalb kann man sich das Ganze ideologische und parteipolitische Theater kommunalpolitisch einfach sparen und sich auf die Stadtgesellschaft und ihre Bedürfnisse und Bedarfe fokussieren.

Wir erwarten von allen demokratischen Kräften, dass alle wie auch immer gearteten persönlichen Befindlichkeiten, von denen es ja nicht wenige in dieser Stadt gibt, zur Seite gestellt werden und alle die Entwicklung und das Wohlergehen der Stadt in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. Die letzten Jahre waren eine Herausforderung, die nächsten werden es noch viel mehr.

Wir wünschen Dir, lieber Hanno, die Kraft, die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen gut zu bewältigen, die Fähigkeit, die Menschen in dieser Stadt zusammen zu bringen, den Mut, allen Widerständen gut zu begegnen, die Weisheit, gute Entscheidungen zu treffen und ein großes Herz, dass es Dir ermöglicht, wirklich der Oberbürgermeister aller Darmstädterinnen und Darmstädter zu sein.

Herzlich willkommen, Hanno.