In der Stadtverodnentenversammlung vom 14.12.2021 war der Haushalt der regierenden Koalition Gegenstand der Debatte. Die Rede von Uffbasse-Fraktionschefin Kerstin Lau findet ihr jetzt hier zum Nachlesen:
Darmstadt ist haushalterisch in einer Misere. Wir haben zu hohe Ausgaben, zu niedrige Einnahmen und zu große Aufgaben.
Der Haushalt macht uns einigermaßen hilflos. Kämmerer André Schellenberg sagt, der Haushalt sei das zentrale Steuerungselement der Politik, hier sei das kommunalpolitische Programm der Koalition festgeschrieben. Wenn das so ist, dann wirkt dieser Haushalt wie ein gut gemeinter Versuch der regierenden Fraktionen, sich selbst zu präsentieren, obwohl man keine klare, gemeinsame Linie gefunden hat.
Die drei großen Herausforderungen unserer Zeit, nämlich den Klimawandel verhindern, die Zunahme der sozialen Spaltung aufhalten und die Folgen der Pandemie bekämpfen, sind unserer Meinung nach im Haushalt merkwürdig konzeptionslos bearbeitet.
Eher scheint es, als seien die Koalitionäre bei den Haushaltsverhandlungen wie beim Einkauf im Bonbonladen vorgegangen: Einzelne Themen wurden herausgepickt und mit einer leicht erhöhten Finanzierung bedacht.
Durch die fehlenden Konzepte hinter den eingestellten Haushaltsmitteln wirkt das Ganze nicht wie eine strukturierte Bearbeitung der drängenden Fragen und Herausforderungen. Die SPD-Kollegin sagte hierzu eben sehr treffend: „Es ist eigentlich eine Fortführung vorangegangener Haushalte.“
Es wird zu wenig Geld für Digitalisierung eingeplant, es werden die falschen Maßnahmen zur Behebung der Corona-Folgen ergriffen und es wird zu wenig getan, um der aktuell immer weiter um sich greifenden Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken.
So hält die Koalition zum Beispiel auch unter einem explizit als „digitalisierungsnah“ vorgestellten Volt-Dezernenten an der Umsetzung des Medienentwicklungsplans (Budget: 30 Millionen Euro) für die Schulen fest. Dieser sieht eine Ausstattung der Schulen mit digitaler Infrastruktur bis 2024 vor. 2024 sollen sich dann drei bis vier Schüler*innen ein Endgerät teilen müssen. Das ist weiterhin die geplante traurige Zukunft der Digitalisierung der Schulen in Darmstadt! Und wenn Frau Wilke von Volt sagt, mit dem neuen Haushalt werde der Digitalisierung an den Schulen mehr Feuer gemacht, frage ich: Wo? Mehr finanzielle Mittel sind jedenfalls nicht eingestellt.
Wir sagen dazu, unabhängig von jeder Pandemie und unabhängig davon, ob Unterricht in Präsenz oder virtuell stattfindet: Jedes Kind benötigt eine adäquate, digitale Ausstattung als Grundversorgung. Denn ohne kann eine gleichberechtigte Teilhabe an Gesellschaft nicht mehr gewährleistet werden.
Kinder aus Elternhäusern mit niedrigem Einkommen und sozial schwachen Milieus sind bei der Bewältigung der pandemischen Folgen besonders benachteiligt. Es steht zu befürchten, dass auch in Darmstadt vermehrt Jugendliche ohne Abschluss oder mit geringer Qualifikation die Schulen verlassen – soziale Ungleichheiten werden sich dann noch weiter verschärfen.
Diese Auswirkungen zu mildern, durch Nachhilfeangebote, psychosoziale Betreuung und auch durch die Ausstattung mit digitalen Medien – dahin hätte der Fokus verstärkt gehen müssen! Wir hätten uns gewünscht, dass hier ein radikales Umdenken stattfindet und die vorhandenen Rücklagen zielführend zur Bewältigung dieser Aufgaben eingesetzt werden.
Dass die Situation insgesamt sehr schwierig ist, verstehen wir. Die Kommunalpolitik, nicht nur in Darmstadt, steckt in dem Dilemma, sowohl dem Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes als auch dem Klimaschutz verpflichtet zu sein. Der Spielraum ist gering für die riesigen Aufgaben, die es zu bewältigt gilt. Eigentlich müsste man massiv Schulden machen, um in umfassende Klimaschutzmaßnahmen zu investieren. In dieser Folge wäre der Haushalt jedoch nicht mehr genehmigungsfähig.
Beide Themen, Notstand bei Bildung und Klimaschutz, wirken sich maßgeblich auf nachfolgende Generationen aus. Diese dürfen nicht mit Schulden überladen werden, müssen aber auch eine Umwelt vorfinden, in der Menschen leben können.
Leider sehen wir weder die eine noch die andere Richtung konsequent ausgestaltet. Der Haushalt sieht schon ab 2023 sehr düster aus und bietet kaum noch Gestaltungsmöglichkeiten. Gleichzeitig sind die geplanten Maßnahmen gegen den Klimawandel, die wir sehr begrüßen, nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Die energetische Sanierung der Häuser des Bauvereins würde geschätzt 1,7 Milliarden Euro kosten. Zugleich müsste die Stadt, um ausreichend bezahlbaren Wohnraum vorhalten zu können, ihr Vorkaufsrecht eigentlich bei allen Grundstücke, die in der Stadt veräußert werden, geltend machen. Nur so ließe sich wohl überhaupt ein spürbarer Einfluss auf die Preisentwicklung am Immobilienmarkt und die Nutzung von Flächen ausüben.
Der ÖPNV muss dringend verbessert werden. Der Wechsel aufs Fahrrad findet mehrheitlich, vermutlich auch aus Mangel an besseren Alternativen, nicht statt. Die Personalaufwendungen sind weiter stark gestiegen und das, obwohl die Dienste für die Bürger*innen weiterhin sehr unzureichend sind. Dies ist zum Teil auf wenig optimierte Prozesse und die mangelnde Digitalisierung der Verwaltung zurückzuführen. Was an Digitalisierung erfolgt ist, bringt keine spürbare Entlastung für die Mitarbeitenden. Und leider bislang auch nicht für die Bürger*innen. Ein Terminplanungstool, dass nur vier Wochen im Voraus für Darmstädter*innen freigegeben wird und in dem es keine freien Termine gibt, ist eine Mängelverwaltung und kostet die Menschen in dieser Stadt viel Zeit und Energie – und das nur, um Dienste in Anspruch nehmen zu können, die die ureigenste Aufgabe der Verwaltung darstellen! Wir erwarten deshalb mit Spannung die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, dessen Verabschiedung längst überfällig war.
Neben den schlechten Prozessen und der unzureichenden Digitalisierung mussten natürlich auch Präsente an alle Koalitionäre verteilt werden, damit sich alle irgendwie wiederfinden.
Damit die CDU ihre Wirkungsfähigkeit demonstrieren kann, wurden so in der sichersten Stadt Hessen aka Darmstadt 25 neue Stadtpolizit*innen eingestellt. Die hierfür verwendeten Mittel hätte man an ndere Stelle deutlich dringender gebraucht.
Die Bürger*innen werden sehen müssen, wie sie mit der neuen Grundsteuer, die für viele deutlich teurer werden wird, einer Inflation von über fünf Prozent, den Kosten der CO2-Bepreisung und den Folgen der Pandemie zurechtkommen. Während gleichzeitig ein Drittel der Familien in Deutschland angeben, seit der Corona-Pandemie größere Geldsorgen zu haben.
Wo die Richtung hingeht, das haben Oberbürgermeister Jochen Partsch und Kämmerer André Schellenberg bereits im September angekündigt: Zukünftige Anpassungen der Steuersätze können nicht ausgeschlossen werden. Die Erhöhung der Grundsteuer hängt in den kommenden vier Jahren also wie ein Damoklesschwert über uns. Die Schere zwischen Arm und Reich würde diese Erhöhung noch weiter auseinandergehen, die Mieten und das Leben in Darmstadt würden noch teurer. Wir hoffen, dass es dazu nicht kommen wird.
Abschließend bleibt zu sagen, dass wir die Schwere der Aufgaben, die an die Koalition gestellt sind, sehen. Ebenso das Dilemma, mit einer chronischen Minderfinanzierung kommunal richtungsweisende Herausforderungen lösen zu müssen.
Als Anerkennung der Schwere dieser Aufgaben, denen die Koalition gegenübersteht, enthalten wir uns.