Jürgens Rede zum Sander Museum

Sanderrede    1.2.2011 Orangerie, drittes öffentliches Fachforum zum Museum Sander

Mein Name ist Jürgen Barth, ich bin von der Fraktion Uffbasse.
Lassen Sie mich einleitend die weniger wichtigen Aspekte formulieren.
DieSammlung der Familie Sander ist respektabel; die Schätze der Stadt Darmstadt in den Depots sind riesig. Beide zusammen ergeben ein Potential, das wert ist, in einem größeren Haus zusammengetragen zu werden. Architektonisch umstritten ist der Neubau des Hauses Christiansen am Südhang der Mathildenhöhe. 
Der Vorschlag an dieser Stelle einen Neubau zu unternehmen kam durch das Forum Entwicklung Mathildenhöhe vom November  2006 und die  Rahmenkonzeption Mathildenhöhe vom Juli 2009. Beide Schriften mit einem Volumen von 120 Seiten erwähnen einen Neubau des Hauses Christiansen mit wenigen Zeilen auf S. 38  bzw. S. 30. In diesen beiden Foren werden 1000 Ideen und Überlegungen formuliert, die das Gesamtkonzept Mathildenhöhe betreffen. Eine ganz marginale Rolle spielt der Neubau des Hauses Christiansen mit der Symmetrieüberlegung von Joseph Maria Olbrich. Voreilig und als Einzelaktion wurde von der Stadt und der Stiftung Sander ein Wettbewerb zum Haus Christiansen ausgeschrieben. Das neue Haus sollte aussehen wie das alte, es sollte modern sein  und mindestens so schön wie die anderen Jugendstilhäuser. Wie wir wissen, haben die  meisten Entwürfe die vorgegebenen Auflagen nicht eingehalten. Vielmehr signalisieren die  Anmerkungen der Architekten: Dies ist der falsche Platz für ein Museum, aber wenn ihr es  unbedingt dort haben wollt, gestalten wir es so, dass wir die Nachteile des Platzes kaschieren.
Oder anders ausgedrückt: Wir machen das Museum so, dass man nicht merkt, dass es am falschen Platz steht. Die Architekten organisieren die Größe, die Höhe, die Farbe, das Material,  dass der Neubau nicht anstößig auffällt. Das fängt schon damit an, dass 2/3 des Volumens wie   ein U- Boot unter der Erde verschwindet. Insofern glaube ich, dass der Wettbewerb an seinen  eigenen Ansprüchen gescheitert ist  – prosaisch ausgedrückt: das Kind ist in den Brunnen gefallen, diesmal in den Hartung –Brunnen!
Historisch gesehen mag die Zerstörung des Hauses Christiansen im 2. Weltkrieg, die Installation des Hartung Brunnens, der Nichtwiederaufbau des Hauses Christiansen zufällig und unfreiwillig  geschehen sein. Fester Bestandteil aber ist seit 65 Jahren der freie Blick vom Platanenhain zum Lilienbecken des Albin Müller über die grüne Wiese hinüber zum Ernst Ludwig Museum  und zu den Jugendstilhäusern.
Dieser freie Blick, der die beiden Jugendstilausstellungen von 1901 und 1909 – nun meinetwegen  unfreiwillig – verbindet, ist fester Bestandteil für den Spaziergang über die Mathildenhöhe. Und darum fordern viele Bürger den Erhalt dieses über 65 Jahre bestehenden Raumes und wehren sich  gegen die Zerstörung durch einen Neubau. Nirgendwo in Darmstadt gibt es einen Ort der reiner   und unberührter erhalten ist wie der Südhang der Mathildenhöhe. Ausgerechnet da soll es einen Eingriff geben.
Wir von Uffbasse haben sofort und spontan gegen das Museum an diesem Platz gestimmt. Die jetzt aufkommenden Argumente bestätigen unsere spontane Ablehnung. Man muss auch  kein  Experte sein, um diesen Ort als optimal gestaltet anzusehen. Jeder Spaziergänger oder Besucher  der Museen schätzt diesen Ort und  wird diesen Neubau ablehnen. Darum es tut mir leid lieber Nicki Heiss war diese Idee etwas salopp formuliert eine Schnapsidee.
Unsere Aufgabe von Uffbasse ist: falsche und kostspielige Riesenprojekte zu verhindern. Wir haben mitgeholfen Nordostumgehung, ICE Bahnhof, Darmbachoffenlegung etc. zu verhindern.
Das Museum Sander am Südhang ist eine gute Tat am falschen Ort.
Nicht passend ist der Verdacht, die Familie Sander wolle im Museum einen Kunsthandel aufziehen. Die Gemeinnützigkeit der Stiftung Sander steht außer Frage. Der Anspruch der Familie Sander ist, Mäzen zu sein. Ein Kunsthandel ist abwegig und würde dem Anspruch völlig  zuwiderlaufen. Viel eher liegt der Verdacht nahe, dass Leute, die zunächst für den Neubau waren – wie die CDU und die Grünen – jetzt nach Gründen suchen, einen eleganten Absprung zu finden
Sie wollen mit diesem billigen Trick, dem Vorwurf des Kunsthandels, ihre damalige Zustimmung zurückziehen – das ist nicht fair.
Jetzt heißt es für diejenigen, die damals zugestimmt haben, Verantwortung für einen möglichen Rückzug zu übernehmen – auch in finanzieller Hinsicht. Die Auslagen für den Wettbewerb  treffen den Stifter und die Stadt. Da trifft es sich gut, dass jetzt im Wahlkampf einige Parteien  den Wählern erklären müssen, warum jetzt der Steuerzahler für diese Fehlentscheidung bluten  muß.

Konkret: Von Seiten der architektonischen Einschätzung schließen wir uns Werner Durth an,   der eine Lösung darin sucht, die Mathildenhöhe als ganzes zu betrachten und dabei das Vakuum  am Osthang zu verbessern.
In der sammlungsspezifischen Einschätzung schließen wir uns Herrn Krimmel an, der die Einengung auf das 19 . Jahrhundert kritisch sieht und einen Zusammenschluß der Bilder von Sander und der Stadt Darmstadt vorschlägt.
Aber zurück zur Hauptfrage an diesem Abend, die lautet:
Hat die Familie Sander noch Lust und Interesse an einer Museumstiftung ?

Sehr verehrte Frau Sander, sehr verehrter Herr Sander,
wenn ich in ihre Köpfe schauen könnte, stünde da der Satz:
Ihr lieben Darmstädter rutscht uns doch grad den Buckel runter. Wir kommen mit einem   generösen Vorschlag ein Museum zu bauen und zu betreiben und sehen uns aufgebrachten  Massen von Bürgern und Kritikern gegenüber, die vielleicht am Ende von uns verlangen, dass  wir uns auf den Boden werfen und darum bitten ein Museum bauen zu dürfen.
Wenn ich in ihrer Lage wäre, ich würde so denken. Und darum, nehmen Sie es mir nicht übel,  hätte ich  dafür das größte Verständnis. Dabei wissen wir alle, wenn Sie zurückziehen, klappt das Projekt wie eine Marionette in sich zusammen..
Heute ist uns allen klar: Der Fehler des Projektes und das Aufkommen dieses Konfliktes liegt     in dem Mangel an einer frühen Öffentlichkeitsarbeit. Dieser Mangel gipfelt in der Aussage, man sei froh, dass das Projekt so still und geräuschlos über die Bühne gegangen sei. Geräuschlos ja   bis das Projekt öffentlich wurde und mit einem Paukenschlag der Konflikt aufbrach.
Ich erinnere mich gut, wie glücklich und freudestrahlend der Oberbürgermeister mit der Nachricht kam: Wir haben ein Museum geschenkt bekommen. Ahnungslos und erleichtert nach  dem Motto: einem geschenktem Gaul schaut man nicht ins Maul. Die symetriestrahlenden Augen der Berater Frau Geelhaar und Herr Heiss signalisierten Zufriedenheit.  Bis ja , bis die Kritiker kamen: Wo?Wie?Wann?Was? Da bauten sich rasch Fronten des Entsetzens auf.
Und so rasten die beiden Züge aus der einen Richtung die Zufriedenen aus der anderen Richtung das Entsetzen auf einander zu. Der Zusammenstoß war unvermeidbar.

Aber sehr verehrte Frau Sander, sehr verehrter Herr Sander das hat alles mit ihnen  nichts zu tun. Niemand wird es ihnen  verübeln, wenn ihnen die Stadt Darmstadt das Angebot macht, auf der  Mathildenhöhe das Haus Christiansen wieder entstehen zu lassen.
Dieses Projekt mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren ist allein mindestens hauptsächlich die Sache der politischen Vertreter der Stadt. Noch einmal der Unmut richtet sich nicht gegen Sie.
Der Unmut richtet sich gegen die Verantwortlichen in der Stadt, sowohl diejenigen  SPD, FDP  die es noch wollen aber auch gegen die die es jetzt nicht mehr wollen CDU und Grüne.
Für eine Lösung braucht es die Abwägung: auf der einen Seite die dunklen Wolken – Widerstand  der Bürger, Bedenken der Architekten, geologische Schwierigkeiten . Auf der anderen Seite ein von allen Seiten akzeptierter Vorschlag, der vielleicht schneller greift als  anhaltende    Querelen am Südhang
Letztlich lautet die Hauptfrage an diesem Abend:  Können Sie sehr verehrte Frau Sander,  sehr verehrter Herr Sander die Erklärung annehmen, für diesen Konflikt nicht die Verantwortung      zu tragen. Und daraus den Entschluß  fassen, ihr  Projekt in einem größeren Rahmen erneut   einzubringen.
Darum auch mein Appell an Sie: Geben Sie ihrem Projekt noch einmal eine Chance. Werfen Sie  nicht die Flinte ins Korn. Schauen Sie nach Köln – mein er Heimatstadt – zum Museum Ludwig. Geben Sie dem Museum Sander in einem neuen Haus an einer neuen Stelle  eine neue Chance

Ich bedanke mich
Jürgen Barth

2 Kommentare

  1. Wie Jürgen hier reflektiert und formuliert ist herausragend, vor allem im Zusammenhang mit all den anderen Kommentaren zu diesem Thema. Was allerdings Herrn Sander, seine Frau kenne ich nicht, angeht muss ich leider anmerken, dass hier mein Vertrauen in seine Absichterklärungen eher schwach ausgeprägt ist. Meines Wissens nach ist seine “Galerie” im Prinz-Christians-Weg 16 eher Sitz seiner Investmentfirma und dient als seine darmstädter Privatadresse. Dass es sich bei diesem, an dieser Stelle völlig deplaziertem Bunker um eine Galerie handeln soll, die auch besucht werden kann, ist an keiner Stelle erkennbar. Für meinen Augen ist der Bau, wie auch sein vorheriges “Galerie”-Mausoleum in der Goethestraße 1, eine optische Körperverletzung, hinter deren schwarzen Mauern man eher das BKA vermuten würde. Auch in der Goethestraße 1 waren oberirdisch Büros und Wohnung der Sanders beherbergt und im Keller einige Bilder zu sehen, so wie andere ihre Modelleisenbahn im Hobbykeller haben. Was dann auch im Prinz-Christians-Weg 16 am Ende herausgekommen ist, scheint ein himmelschreiender Skandal, in dem Bau- und Nutzungsauflagen still und heimlich in die Tonne getreten wurden. Und dies soll sich jetzt an noch exklusiverer Stelle wiederholen? Die Verantwortlichen der Stadt lassen sich mal wieder von einem durchaus achtenswerten, aber auch sehr schlitzohrigem Kunstsammler ordentlich über den Tisch ziehen. Schenkt den Sanders doch gleich den Hochzeitsturm als Privatadresse. Zusammen mit dem Kunstarchiv der Stadt in unmittelbarer Nachbarschaft und seiner Sammlung kann man das dann bedeutungsschwanger Museum oder Galerie Darmstädter Künstler nennen und die Sanders hätten ihr eigentliches Ziel erreicht: Die exklusivste Penthauswohnadresse weit und breit. Dadurch könnte man die am Südhang der Mathildenhöhe geplante architektonische Vergewaltigung wenigstens verhindern. Denn davon gibt es in Darmstadt schon weit aus mehr als es erträglich ist.

  2. Super Artikel heute in der FAZ. Ich zitiere:”Am eindringlichsten fasste diesen Wunsch der Stadtverordnete Jürgen Barth (Uffbasse) in Worte. Er könnte gut verstehen, wenn Hans-Joachim und Gisa Sander nach dem ganzen Streit sagten: “Ihr lieben Darmstädter, rutscht uns doch den Buckel runter…”
    sowie
    “…Werfen Sie deshalb die Flinte nicht ins Korn, sondern geben Sie Ihrem Projekt eine zweite Chance”, äußerte Barth.” Zu einem Neustart zeigt sich das Ehepaar nach Abschluss der Foren auch bereit…”
    FAZ 3.2.2011 “Neuer Museumsstandort, neuer Gebäudeentwurf” Hein

Kommentare sind geschlossen.