Jörg: Warum ich ned mehr mag

Guude zusammen,
ich glaube, ich bin im vergangenen jahr einfach noch dünnhäutiger und genervter von der parlamentarischen arbeit geworden.
Ich weiß nicht, ob das an der grün/schwarzen regierung und ihren ständig gepredigten Themen bürgerbeteiligung und transparenz liegt, die in der Realität dann aber so aussehen, dass sie doch alles unter sich ausmachen?
Oder an der SPD, die ihre ungewohnte oppositionsrolle mit verzweifelten, dummen, nicht weiterführenden populistischen hieben auf die regierung zum kotzen schlecht ausfüllt? Ich vermag es nicht zu sagen.
Vermutlich beides….

Für mich ist dieses showlaufen inzwischen unerträglich geworden.
Wenn schon zu anfang einer rede klar wird, das statt mit 1000 wörtern alles mit 2 gesagt werden kann.
Wenn mensch auf ne frage statt ein klares ja oder nein nervende abhandlungen hören muss, die die eigentliche frage im besten falle nur streifen.
Wenn mensch aufgrund dessen gar keine Lust mehr hat nachzuhaken, weil er/sie weiß, das dieselbe leier nochmals mit anderen floskeln kommt, dann isses nemmer lustig.
Dann isses verschwendete zeit.

Nach inzwischen über 11 jahren stadtverordnetenversammlung, ausschüssen, kommissionen, beiräten, arbeitsgruppen, bürger- und sonstigen versammlungen haben sich manche meiner kanten abgeschliffen.
Kanten und ecken die ich an mir mochte und auf die ich nicht verzichten möchte.
Inzwischen habe ich mir in den gremien, bei manchen ( ;o)) politischen entscheidungsträgern und –trägerinnen aber vor allem den darmstädter bürgern und bürgerinnen eine gewisse anerkennung erarbeitet, die mir auch gehör verschafft.
Das gilt allerdings nicht nur für mich, sondern für all die uffbasser/innen, die vor einem jahrzehnt noch milde belächelt wurden und inzwischen zur viertstärksten parlamentarischen kraft in darmstadt gewachsen sind.
Leider bedeutet die beschäftigung und der zeitaufwand mit den vielen “anscheinend wichtigen themen” viel energie, mit der man sich in die unbekannten sachverhalte einarbeiten muss – ganz oft sogar in dinge, die mich nicht wirklich interessieren.
Sehr oft musste ich mich gegen meine unlust regelrecht in die materie reinprügeln.
Durch dieses räderwerk und die aufgezwungene disziplin, sich mit dingen zu beschäftigen, die mich nicht wirklich berühren, bin ich gefühlt zunehmend abgestumpfter, automatisierter und angepasster geworden.
Dies zeigt sich in vermehrter fantasie- und privater antriebslosigkeit.
Ich gebe offen zu, daß ich mich vor möglichst vielen offiziellen begegnungen in dieser politschen parallelwelt gedrückt und mir das martyrium von sommerfesten, eröffnungen, einweihungen, jubiläen und dem ganzen zoix erspart habe.
Trotzdem war ein großteil meines lebens außerhalb der “normalen arbeit” nicht mit meiner lebensgefährtin, meinen freunden, guten bekannten, meinem 4gebein oder einfach alleine mit mir besetzt, sondern mit themen und menschen, die mir persönlich nicht wichtig sind.
Mich kotzt immer noch an, daß manche parlamentarier trotz besserem wissen den leuten hemmungslos die kutte volllügen und so arrogant sind zu glauben, der „dummbürger“ würde ihnen ihre Lügen abkaufen.
Wirklich schlimm ist, daß viele engagierte, ehrliche menschen in den depp-latierten parteien ihren verlogenen scheffos die klabusterbeeren ablecken, statt aufzustehen und ihnen klarzumachen was an der basis abgeht.
Ham die kein rückgrat? Warum heben die die hand für beschlüsse die absolute hundescheiße sind? Haben die Angst um ihren Fraktionssitz? Ich habe keine Ahnung, aber mich beruhigt, dass ich ein solches Verhalten immer noch nicht verstehe!!!!
Genau das anders machen zu wollen war damals schon der Grund, mit Uffbasse anzufangen.
Das ist uns gelungen! Wir schaffen den eiertanz zwischen realität und visionen ohne unehrlich zu sein.
Wir leben in unserem mikrokosmos des füreinander da sein.
Wir können und wollen nicht die ganze welt ändern.
Wir fangen im kleinen, bei uns, bei den nachbarn, bei den kollegen, bei den freunden an. So wird’s was! Es liegt an euch, diese Haltung weiterzutragen!
Alles schlechte hat auch sein gutes.
Darmstadt hat ne wählbare, ehrliche fraktion, die weitab vom normalen politgeschmeiß ist.
Ich selbst hab unheimlich viel gelernt und viele nette und engagierte menschen kennengelernt, denen ich sonst nie begegnet wäre.
Auch durch mich haben sich menschen auf einmal für kommunalpolitik interessiert und sich damit beschäftigt, die das vorher für teufelszoix und vetternwirtschaft hielten.
Klasse ist, daß die uffbasse nachrücker keine ollen politprofis sind, die schon von parteijugend an geformt und an alle parlamentarischen regeln angepasst sind.
Neeeneee….. denksde!!!!
Das sind menschen die aus meinem freundes- und kulturkreis kommen, menschen die auch die politik der strasse kennen und erleben.
Menschen, die noch wissen, daß es ein leben neben dem blablament gibt.
Menschen, die noch parlamentarisch unverdorben, voller energie und unkonventionellen ideen sind – wie ich es anfangs war.
Unverbrauchte, kantige, eckige, freche menschen.
Dazu klug, fantasievoll und schön!!!!!
Da will ich auch wieder hin.
Aber keine sorge, ich schmeiß den berdel ned komplett hin.
Ich trete lediglich in die 2te reihe zurück oder wie ein von mir hochrespektierter vereinspräsident bei seinem rücktritt schöner und sehr passend formulierte:
“Ich verlasse die brücke aber bleibe im boot”
Li(e)bertäre, solid(nicht)arische grüße, der jörg d.

17 Kommentare

  1. Lieber Großer,
    danke für diesen tollen Artikel, der mal wieder das richtige
    aussagt.
    Jetzt hast Du bestimmt mehr Zeit für Deine “Beiden Damen”, denen
    das sicher mehr als gut tut.
    Auch habe ich inzwischen gehört, dass Du ein E-bike Dir angeschafft
    hast. (habe ich auch vor).
    Auch wenn Du weiter im Boot bleibst, werde nicht “Seekrank” sondern
    bleib wie Du bist: Unser, mein Bester.
    Immer Dein “Babba”

  2. Bravo Jörg,
    obwohl ich – nein, ich werde genau an dieser Stelle nicht noch mal ausholen und auch Dir sagen, so ganz ehrlich war uffbasse auch nicht immer. Warum? Weil es nicht Dich betifft, sondern Kollegen Deiner Gruppierung. Du standest immer geradlinig. Respekt!
    Also lieber Jörsch, allet Gute in der gewonnenen Freiheit ähhh Freizeit

  3. Jörg, ich erinnere mich gerade, vor Jahren mal an einer öffentlichen Sitzung im Stadtparlament teilgenommen zu haben. Zum ersten und bis heute zum letzten mal. Ich erinnere mich, mit welch unfassbar arroganter und despektierlicher Art dir (nicht nur)der damalige OB Benz gegenübergetreten ist. Ich erinnere mich aber auch, mit welch bewundernswerter Gelassenheit du auf diese Arroganz, Ignoranz und Dummheit reagiert hast. So gesehen kann ich dir nur meinen Dank und großen Respekt für deine jahrelange “Frontarbeit” aussprechen!
    Hut ab!
    Gorry

  4. Nun also doch …
    Verständlich, aber sehr schade!

    Vielen Dank auf jeden Fall für Alles, was Du bisher hingestellt hast – wahr sehr gut!

    Grüße

    Ralf

  5. Lieber Jörg, lieber Jürgen,

    Eure Entscheidung deutete sich ja an – aber es ist trotzdem traurig, sie jetzt “weiß auf schwarz” zu lesen. Uffbasse, das habe ich inzwischen auch gelernt, ist ja vor allem eine Parlamentsfraktion.
    Wenn dann zwei “Charismatische” sich aus der Stadtratsarbeit zurückziehen, ist das besonders schmerzlich, auch wenn Euer Schritt nach langen Jahren persönlich nachvollziehbar ist. Für die lokale politische Öffentlichkeit – und für Uffbasse selbst – ist Euer Schritt auf jeden Fall ein herber Verlust!

    Großen Dank habt Ihr aber wirklich verdient. Aus der vierten Reihe wünsche ich Euch alles Gute für das künftige Wirken in Reihe Zwo!

    Ludger

  6. Hey Jörg, vielen Dank für die eigenwillige und oftmals so fruchtbare Arbeit in den letzten tausend Jahren (so lange kommt mir das vor). Bestimmt wirst Du fehlen, hoffentlich wird Dein herzlich-anarchischer Geist UFBASSE weiter beflügeln. Und nie vergessen: “Sich fügen heißt lügen!”

    Mit viel Respekt und Dankbarkeit:

    Gösta

    P.S. Jetzt wird die freie Zeit aber nicht nur ins Familiäre “investiert”, sondern bitte auch in die Musik!

  7. Jörsch,

    Du warst schon immer einer meiner Helden und bist es jetzt umso mehr. Deine gerade Haltung derart herzerfrischend und es wäre wohl ein paradiesischer Zustand, wenn alle “Politiker” so ticken würden. Aber wenn das so wäre, gäbe es direkt keine Politiker mehr…
    Mich hat, offen gesagt, schon lange gewundert, warum Du Dir diese Schmerzen antust. Wenn man sieht, was im Politikbetrieb so abgeht, wendet man sich zwangsläufig angewidert ab. Dass Du so lange durchgehalten und persönliche Interessen unter die Belange der Gemeinschaft (wie auch immer diese sich gestaltet) gestellt hast, verdient Respekt!
    Ich wünsche Dir für künftige chillige Momente ohne dieses ganze Schmierentheater verdammt viel Spaß! Und ich hoffe sehr, dass die beiden jungen Leute, die Jürgen und Dir im Blablament folgen, ein ordentliches Durchhaltevermögen haben! Bleibt immer grad!

  8. Wir saßen jetzt zwar nur 1,5 Jahre zusammen — wenn auch für unterschiedliche Gruppen — in der Bude, aber durch Deinen / Euren Rückzug wird das Haus für mich leider ärmer.

    Viel Erfolg den Neuen beim Ausfüllen der großen Fußstapfen! Und Dir und Jürgen alles Gute für die neu gewonnene Freizeit.

  9. Lieber Jörg Dillmann – Respekt und Hut ab. Courage zur Aufrichtigkeit ist allenthalben selten. Und bei all der Trickserei in Parlamentssitzungen und anderen politischen Gremien selten. Höchst selten. (Fast) vergebens zu suchen. Ausnahme: Jörg. Deine Entscheidung mag schade sein für viele, die mit dir in erster Reihe noch einiges hätten lernen können; souverän entschieden hast du für dich selbst: Gut. Spar dir das Blabla. Du wirkst sowieso (politisch), wo du gehst und stehst: Jörg, einer, der Mensch geblieben ist inmitten des makraben Marionettentheaters.
    Love Lot

  10. Oh ,menno……
    1000send dank an euch für die lieben worte.
    Ich hab ganz rotglühende ohren vor verlegenheit, muss aber ehrlich zugeben, das es mich sehr rührt eure beiträge zu lesen.
    Es umarmt euch, der jetzt doch etwas sentimental gestimmte jörg d.
    ;o)))

  11. Hallo Jörg & Jürgen,
    ihr wart (nach PDS/WASG) die zweite Fraktion, die von der Nordostumgehung gesagt habt: Brauche mer ned! Ihr habt eure anfängliche PRO-Meinung damals, nachdem ihr die Argumente dagegen gehört habt, in CONTRA geändert (das war so Anfang 2006). Die Grünen haben dazu 4 Jahre und 14.000 Unterschriften gebraucht. Bisschen Zoff gab’s später auch, aber anders wäre das Leben ja langweilig.

    Ihr seid ja nicht weg. Würde mich freuen, wenn man bei außerparlamentarischen Aktionen weiter mit euch rechnen kann.

  12. ieber jürgen,
    lieber jörg,
    danke für eure tollen worte zum abschied!!!
    nach 1,5 jahren erfahrung mit dem “geschäft” kann ich euch verstehen. machts gut ihr zwei, ich werd euch vermissen… aber ich hoffe doch nur in der stavo und nicht in der freien wildbahn der darmstädter politik – ich hoffe ihr blebt uns als apo erhalten, es wäre ein herber verlust wenn nicht!
    in diesem sinne, bleibt dabei, man sieht sich und darauf freu ich mich!!!
    martina.

  13. hi

    passend zum Thema habe ich gerade beim Aufräumen die Video-Kasette mit den Aufnahmen vom OB-Wahlkampf 93 gefunden. Fehlt nur noch das Abspielgerät.

  14. Hi Jörg,

    wenn auch schon lange nicht mehr direkt in Darmstadt ansässig, habe ich Dein Engagement, nach meinem Umzug Richtung Odenwald, weiterhin mit viel Freude und Bewunderung verfolgt. Es gibt wenige Menschen, die sich im politischen Leben so selbstlos und um der Dinge Willen bemühen, wie Du es über lange Jahre getan hast. Mein Respekt gilt nun auch Deiner jetzigen Entscheidung, wenngleich “Uffbasse” anders werden wird, wenn Du nicht mehr in der ersten Reihe stehst. Den Nachrückern möchte ich mitgeben: “Wer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren”.

    Jörg, bass uff dich uff…

    Viele Grüße,
    Lou

  15. Jörg
    Lou hat’s schon gesagt: Bass uff disch uff!
    Danke für alles, was Du geleistet hast. Ich kann dich gut verstehen.
    Servus
    W.

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