Atomkraftgegner protestieren gegen Observation durch Kriminalpolizei

PRESSEERKLÄRUNG

Im Zusammenhang mit dem Castor-Transport nach Gorleben, der
voraussichtlich am 08.11.2008 durch Karlsruhe rollen wird, haben fünf
AtomkraftgegnerInnen aus Karlsruhe Besuch von der Kriminalpolizei
bekommen. Beamte des Staatsschutz-Dezernats suchten die Betroffenen
zwischen dem 17.10.08 und 19.10.08 zu Hause und an Arbeitsplätzen auf.
Sie kündigten den AtomkraftgegnerInnen an, dass diese von nun an
polizeilich überwacht würden.  Die Polizei begründete die Maßnahme damit,
dass die Betroffenen bei vergangenen Castor-Transporten “aufgefallen”
seien und behauptete, diese hätten bereits in der Vergangenheit
Straftaten begangen. Sie räumte allerdings ein, dass dafür keinerlei
Beweise vorliegen.
Tatsächlich dringt die Polizei seitdem demonstrativ in das Privatleben
der AtomkraftgegnerInnen ein: Diese werden in ihrem Alltag, bei ihren
Erledigungen und ihrer Erwerbstätigkeit von der Polizei verfolgt, zu
Ausweiskontrollen angehalten, ihre Aufenthaltsorte observiert. Mit
diesen Maßnahmen diffamiert sie die Betroffenen und verletzt deren
Privatsphäre.
Das Vorgehen ist nicht geeignet, um Erkenntnisse über unterstellte
Straftaten zu gewinnen. Offensichtlich soll die spürbare polizeiliche
Verfolgung die AtomkraftgegnerInnen vor allem einschüchtern. Die
Beschattung ist ein Versuch der Landesregierung, mit polizeilichen
Maßnahmen in die gesellschaftliche Auseinandersetzung über die
Gefährdung durch Atomenergie einzugreifen. Das ist mit demokratischen
und rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

Bei Protesten gegen Atomkraft und Atommüll-Transporte in der Region
Karlsruhe ist kein Mensch jemals gefährdet oder gar geschädigt worden.
Dagegen stellen die Atomkraftwerke und der von ihnen produzierte Müll
eine beständige, reelle und zudem immense Gefahr für die ganze Region
dar – ohne dass die Polizei in vergleichbarer Weise aktiv würde. So hat
EnBW in allen seinen fünf Atomkraftwerken die Sicherheitsvorschriften
zum Teil jahrzehntelang systematisch missachtet. Der Energiekonzern nahm
etwa in Kauf, dass das Notkühlsystem, das bei einem Störfall die
Kernschmelze verhindern sollte, nicht vollständig funktionsfähig war ¬–
im AKW Philippsburg über 16 Jahre hinweg. Nur dem Zufall ist es zu
verdanken, dass es nicht zum GAU kam. Hat die Polizei jemals den
Betriebsleiter zu Hause aufgesucht, um ihn aufzufordern, keine
Straftaten zu begehen? Das Uralt-AKW Philippsburg-I hält nach dem
Geheim-Gutachten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit
(GRS) lediglich dem Absturz eines Sportflugzeuges stand, das AKW
Neckarwestheim-I belegt im Sicherheitsvergleich aller AKWs in
Deutschland den vorletzten Platz – nur der Schrottreaktor Biblis-A ist
noch unsicherer. Werden die EnBW-Chefs, die täglich darauf hinarbeiten,
diese Risiko-Meiler noch länger zu betreiben, in ihrem Alltag von der
Polizei observiert?

Sicherheitswidriger Betrieb von Atomkraftwerken, riskante
Atommüll-Transporte, undichte Atommüll-Lager: All diese Gefahren für die
Öffentlichkeit bestehen mit Wissen und durch das Handeln von Politikern,
Aufsichtsbeamten, Betriebsleitern und Unternehmensvorständen.
AtomkraftgegnerInnen setzen sich für die sofortige Stilllegung aller
Atomanlagen ein, um diese Gefahren zu beseitigen. Wir fordern
Landesregierung und Polizei auf, die unverhältnismäßigen
Überwachungsmaßnahmen zu beenden.

Alle AtomkraftgegnerInnen laden wir ein, gegen den Weiterbetrieb der AKW
und die weitere Produktion von gefährlichem Atommüll zu protestieren –
etwa bei der ironischen, feierlichen Begrüßung des Castor-Transports am
Samstag, 08.11.2008, ab 11 Uhr am Bahnhof Wörth
(http://www.castor-stoppen.de/?p=139).