Darmstädter , 98er, Jude

98er.jpgGuude zusammen,

außer dem erfreulichen spielerischen aufwärtstrend (menno! . wie geil!!!! 3:0 zuhause gegen fürth!!!) hier noch was zu eurer info.

Als mitglied des sv98 komm ich in den genuss der mitgliedszeitschrift “der 98er”.
In der neusten ausgabe vom oktober 09 ist ein sehr interessanter artikel über den ehemaligen lilienvorsitzenden Dr. Karl Hess, der 1933 deutschland verlassen musste, weil er jude war .
In dem artikel kommt sehr gut rüber, das der sv98 nicht nur heute ein offener und antirassistischer verein ist, sondern das er (im gegensatz zu manch anderen vereinen) auch noch eine vergangenheit hat auf die wir stolz sein können und deren wir uns nicht schämen müssen.
Weiter so!!!!!!!!!!

der jörg d.

Im anschluss der artikel mit freundlicher Genehmigung des SV Darmstadt 98
(danke dafür :o))

 Aus: “der 98er” Mitgliederzeitung des SV Darmstadt 98, Oktober 2009.

Darmstädter , 98er, Jude
Lilien-Vorsitzender Dr. Karl Heß musste1933 Deutschland wegen den Nazis verlassen

In der Sportgeschichtsschreibung neueren Datums wird wieder entdeckt, was über Jahrzehnte lang gerne verschwiegen wurde, und was scheinbar ebenso gerne vergessen wurde: Die Geschichte vieler Sportvereine in der NS-Zeit und die Tatsache, dass so mancher Sport- und Fußballpionier jüdischer Abstammung war. Es sei hier nur an Walther Bensemann, den Gründer des “kicker” erinnert.

Doch eine Reihe von Sportvereinen beschäftigen sich neuerdings intensiv mit ihrer Rolle in den Jahren der Nazi-Herrschaft. Borussia Dortmund war einer der ersten Vereine. Auch weniger rühmlicher Seiten der eigenen Geschichte werden der Ehrlichkeit und der Ernsthaftigkeit der Aufklärung Willen, in Kauf genommen. So wies beispielsweise der TSV 1860 München schon einige Jahre vor der Machtergreifung eine Nähe zur NS-Bewegung auf. Von anderen Klubs wie Bayern München oder der Frankfurter Eintracht wissen wir dagegen, dass sie als “Judenklubs” bezeichnet wurden, weil unter ihren Mitgliedern und Gönnern eine Reihe von jüdischen Mitbürgern waren.

Wie schon in einer der vorigen Ausgaben des “98er” bemerkt, ist der SV Darmstadt 98 in der NS-Zeit keinen einfachen Weg gegangen. Als einziger Darmstädter Verein hat er in diesen Zeiten der absoluten Gleichschaltung widerstanden. Führende Funktionäre des SV98 standen zudem den neuen Zeiten distanziert gegenüber. Die Folge war für den Verein, dass er von jeglicher staatlicher Förderung ausgeschlossen wurde.

Ein früher Beleg für diese Haltung im Verein ist sicherlich auch die Amtszeit von Dr. Karl Heß, der von 1928-33 Vorsitzender des SV98 war. Während die Nazis ihre Hetztiraden gegen die Juden immer weiter verstärkten, wählten sich die Lilien einen Mitbürger mosaischen Glaubens zum Vorsitzenden. Ein Zeichen dafür, dass der SV98 alles andere als ein Sammelbecken von NS-Parteigängern war. Beim SV98 wurde eine Idee vom Sport gepflegt, die weit entfernt war vom militärischen Drill der Nazis, sondern sich eher am Gedanken der gesellschaftlichen Verantwortung und der idealistischen Jugendpflege orientierte.

Wer aber war dieser Dr. Karl Heß eigentlich? Er wurde im Jahr 1900 in Darmstadt geboren. Sein Vater hatte ein Spielwarengeschäft in der Elisabethenstraße. Hier war auch der Olympia-Fußballer Heiner Bärenz tätig, so dass der junge Karl auf diese Weise mit dem Sportverein in Kontakt kam. Von Jugend auf betrieb er aktiv Sport und engagierte sich nach der Fusion von Olympia 1898 und Sportklub 1905 im Vorstand des Vereins, wurde 1924 stellvertretender Vorsitzender.

Dr. Heß studierte Jura in Gießen und promovierte 1923 in Heidelberg. 1926 eröffnete er eine Rechtsanwaltskanzlei in Darmstadt. Dr. Heß wird im Allgemeinen als sehr eloquent und menschlich einfühlsam beschrieben. Er wurde rasch in Darmstadt zu einem gesuchten Anwalt und zu einer bekannten Persönlichkeit. All diese Eigenschaften prädestinierten ihn auch zur Führung des SV Darmstadt 98, die er von 1928 an inne hatte.

Als Vorsitzender des SV98 beschäftigte sich Dr. Heß vor allem mit einer Frage, die den Verein jahrzehntelang begleiten sollte: Bezahlter Sport ja oder nein. In einem Beitrag für die Vereinsnachrichten im Herbst 1930 geht er dieser Frage unter dem Titel “Spesenamateur oder Profi” nach. Hess sprach sich hier nicht grundsätzlich gegen den Berufsspieler aus. Da war er zu sehr Realist, als dass er die Entwicklung aufhalten wollte. Ihm ging es um die Chancen- und Risikengleichheit zwischen den finanziell starken Großvereinen und den kleinen und mittleren Clubs, die sich ihre Spielstärke nicht erkaufen konnten. Seine damalige Forderung: Eine klare Trennung im sportlichen Wettbewerb zwischen den Vereinen mit “Spesenamateuren” zu denen mit “reinen” Amateuren. Nur so sei der sportlichen Wettbewerbsverzerrung Einhalt geboten. Eine Problematik, die uns heute nur zu bekannt vorkommt, wenn es um die Frage geht, ob man nicht, um Wettbewerbsverzerrung zu verhindern, die Zweitvertretungen der Profiklubs aus der 3. und 4. Liga entfernen sollte.

1933 ergriffen die Nazis die Macht und entzogen ihm wegen seiner jüdischen Herkunft die Rechtanwaltszulassung. Er emigrierte daraufhin zunächst nach Frankreich, später nach Brasilien. Doch auch nach seiner Flucht hatte Dr. Heß außer in den unmittelbaren Kriegsjahren stets Briefkontakt zu den Darmstädter Freunden beim SV98. So blieb er stets auf dem Laufenden bezüglich der Entwicklung seiner “Lilien”. Umso größer war die Freude, als er 1955 nach 22 Jahren erstmals wieder seine Heimatstadt besuchte. Immer noch hielt er der deutschen Fußballzunft vor, nicht endlich eine richtige Trennung zwischen Amateuren und Profis vorzunehmen. Zudem zeigte er sich begeistert vom brasilianischen Fußball. Da kam ihm das Darmstädter Ballspiel doch reichlich hausbacken vor.

1963 kehrte er dann sogar für einige Jahre nach Darmstadt zurück, wurde juristischer Mitarbeiter des Rechtsamtes der Stadt. 1968 ging er in den Ruhestand, um dann mit seiner Frau wieder nach Brasilien zur Familie seine Sohnes zu ziehen. Dort starb er am 15. April 1975. Dr. Karl Heß, war, ist, und bleibt für immer einer der großen, wichtigen Vertreter unseres SV Darmstadt 98.

                                  Thomas Waldherr
(mit Material von Heinz Wenck)

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