Die Bayreuther Festspiele und “die Juden” 1876 bis 1945
Vortrag:
Hannes Heer, Historiker und Kurator der Bayreuther Austellung “Verstummte Stimmen”. Am Donnerstag, 14.02.2013, 19h30, ehem. Synagoge Pfungstadt, Hillgasse8 …. Eintritt: 7, ermässigt 5 Euro
„Das Kunstwerk der Zukunft“, dem Richard Wagner in seinen Musik-Dramen im
abgelegenen Bayreuth eine spektakuläre Bühne erschuf, wollte eine neue Ästhetik und war
zugleich eine Kriegserklärung an die durch die politische und industrielle Revolution im 18.
und 19. Jahrhundert entstandene Welt der Moderne. Als deren Verkörperung galt Wagner, im
Rückgriff auf den Antisemitismus der Romantik, „der Jude“, den er als den „geborenen Feind
der reinen Menschheit und alles Edlen in ihr“ ansah. Diese moderne Welt der Politik, der
Unfähigkeit zur Liebe, der Kulturlosigkeit, der Tücke, des Geldes, des Nihilismus ließ er in
Figuren wie Ortrud, Venus, Beckmesser, Mime, Alberich und Klingsor Bühnenwirklichkeit
werden – alles „Judenkarikaturen“ (Adorno) und „negative Charaktere“ (Wapnewski), denen
die positiven „deutschen“ Helden Hans Sachs, Siegfried, Brünnhilde und Parsifal
entgegengestellt wurden.
Nach Wagners Tod erbte Cosima mit den Festspielen auch diese antagonistische Bühnenwelt.
Sie machte aus dem Erbe kein Mausoleum, sondern ein politisches Instrument: In dem
„deutschen Reich jüdischer Nation“ wollte sie Bayreuth als „deutsches Theater mit allen
Nationen, die ‚Bevorzugten’ ausgenommen“, etablieren. Die „Bevorzugten“ waren die
„Juden“. Cosima praktizierte diese Apartheidpolitik das erste Mal bei der Inszenierung der
Meistersinger 1888: Es war die erste gewollt „judenfreie“ Aufführung in der deutschen
Theatergeschichte. In der Folge wurden „jüdische“ Künstler nur eingeladen, wenn keine
„deutschen“ zur Verfügung standen und dann nur für die kleinen oder für die „negativen“
Rollen.
Ihr Sohn und Nachfolger Siegfried Wagner hat diese antisemitische Besetzungspolitik ab
1908 übernommen. Und er hat unter Anleitung von Cosimas langjährigen Mentor und
Schwiegersohn, Houston Stewart Chamberlain, dem Begründer des modernen
Rassenantisemitismus, zusammen mit seinen Schwestern und seiner Frau den Weg in die
antisemitisch-deutschnationale Tagespolitik genommen: 1916 wurden er und Chamberlain
Mitglieder des „Alldeutschen Verbandes“, der rechtsextremen Denkfabrik des Kaiserreichs,
1917 trat die ganze Familie der auf Endsieg statt auf Frieden geeichten „Vaterlandspartei“ und
1923, nach einer Begegnung mit Hitler, der NSDAP bei. 1925 besuchte Hitler erstmals die
Festspiele. Von da an datierte die enge Freundschaft zwischen ihm und Winifred. Siegfried
duzte den „Führer“ schon seit der ersten Begegnung. Dass die Festspiele ab 1933 endgültig zu
„Hitlers Hoftheater“ (Thomas Mann) wurden, war also kein Zufall.