Die ursprünglich ambitionierte Idee des sogenannten „Lichtenbergblocks“, einst mit den Superblocks in Barcelona verglichen, hat in der heutigen Umsetzung kaum noch etwas von ihrer wegweisenden Strahlkraft behalten. Vielmehr beschränkt sich das aktuelle Konzept auf drei wesentliche Punkte: eine verbesserte Schulwegsicherung, die Einrichtung eines Einbahnstraßensystems zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs – sowie, nicht zuletzt, die Legalisierung des Gehwegparkens in der Liebfrauenstraße.
Letzteres sei eine deutliche Verschlechterung der gegenwärtigen Situation für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, meint Uffbasse-Stadtverordneter Till Motz. Seine Kritik und Rede aus der Sitzung findet ihr hier. Ebenso den Änderungsantrag von Uffbasse, der in dieser Sache gegensteuern wollte, aber keine Mehrheit fand.
Was einst als mutiger Schritt in Richtung Verkehrswende gedacht war, erscheint heute als ein deutlich verwässertes Konzept. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität ist größer als ursprünglich erhofft.
Rede von Till Motz:
Viel ist in der heutigen Vorlage des einst mit den Superblocks in Barcelona verglichenen „Lichtenbergblocks“ nicht mehr übrig. Richtiger wäre es die Vorlage nach dem zu nennen, was sie wirklich ist: Eine Verbesserung der Sicherheit auf Schulwegen, eine Erstellung eines Einbahnstraßensystems zur Verhinderung von Durchfahrtsverkehr – und zu guter Letzt eine Legalisierung des Gehwegparkens in der Liebfrauenstraße, aber dazu später mehr.
Die Idee des Heinerblocks oder Lichtenbergblocks war eine innovative, mutige Idee, welche die Entschlossenheit einer angestrebten Verkehrswende widerspiegelte.
Heute sehen wir, dass die Lücke zwischen der einstigen Idee und Realität wohl doch weiter auseinander liegt als zu Beginn viele gehofft haben.
Die Frage, wohin mit den Autos bei der Neuaufteilung der Verkehrsfläche ist aktuell nicht gelöst und wird sich wahrscheinlich weder von allein lösen noch ausschließlich lokal lösen lassen.
Darum ist es wichtig durch Verbesserungen in der Radinfrastruktur und passenden Angeboten wie Carsharing oder einer seit Jahren diskutierte besseren ÖPNV-Anbindungin den Ostkreis mehr Menschen von alternativen Fortbewegungsmitteln zu überzeugen.
Da es immer Menschen geben wird, die sich, aus welchem Grund auch immer, nicht von ihrem Auto trennen können, werden wir nicht drumherum kommen, uns ernsthaft mit alternativen Stellplatzmöglichkeiten wie Quartiersparkhäusern zu beschäftigen.
Auch wenn leider, wie schon erwähnt, nicht mehr viel von der ursprünglichen Idee übrig bleibt und es mit Blick auf den Haushalt und wohl auch mit Blick auf den bevorstehenden Wahlkampf zur Kommunalwahl nicht absehbar ist, ob oder wann weitere Maßnahmen folgen werden, begrüßen wir die aktuell geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Schulwegachsen in der Lichtenberg und Müllerstraße, die Erstellung von Radabstellplätzen und die Maßnahmen zur Verhinderung des Durchgangsverkehrs.
Jetzt zur Liebfrauenstraße:
„Für die freie Bewegung von mobilitätseingeschränkten Personen ist ein Mindestmaß von 1,60 Meter im Bestand notwendig. Dies ist kein Wunschmaß, sondern ein absolutes Minimum, das infolge von Gehwegparken nur auf kurzen Abschnitten vorhanden sein darf.“
Eventuell kommen einigen von ihnen diese Sätze bekannt vor, für diejenigen, die sich nicht erinnern: Sie können diese auf Seite 36 des Koalitionsvertrags unserer Stadtregierung finden.
Heute sollen wir eine Legalisierung des Gehwegparkens mit einer Restbreite von nur 1,50 Meter beschließen.
Diese 1,50 Meter entsprechen nicht den aktuellen Empfehlungen und technischen Regelwerken, da sie weder den Anforderungen der DIN 18040-3 an barrierefreie Verkehrsflächen genügen noch den in den EFA-Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) empfohlenen Mindestmaßen für eine sichere Begegnung zweier Personen (1,60 Meter), insbesondere von mobilitätseingeschränkten Menschen (1,80 Meter).
Bei den 1,50 Meter muss bedacht werden, dass die in den Weg ragenden Seitenspiegel der Autos, auf dem Weg geparkte Fahrräder, abgestellte Mülltonnen oder Sperrmüll die tatsächliche Breite teils zusätzlich stark reduzieren. Ein Ausweichen auf die Straße ist auf Grund der hohen Bordsteine und des Kopfsteinpflasters für mobilitätseingeschränkte Menschen nicht möglich.
Eine Legalisierung des Gehwegparkens mit 1,50 Meter Restbreite über eine Strecke von ca. 300 Metern stellt in weiten Teilen eine Verschlechterung des Ist-Zustandes dar.
Darum schlagen wir vor, die Parksituation in der Liebfrauenstraße zunächst so zu belassen und – unter Berücksichtigung der aktuellen Richtlinien und unter Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse von alten Menschen, Kindern, Menschen mit Kinderwägen, Rollatoren, Sehbehinderung, Gehbehinderung oder Rollstühlen – erneut zu prüfen und bitten um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Änderungsantrag zur Vorlage 2015/0150 Verkehrskonzept Lichtenbergblock
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen, der Magistrat wird gebeten:
Der Satz auf Seite 4 unter Neuordnung des Parkraums – Lichtenbergstraße wird um die folgende Formulierung erweitert:
- Die in Stufe 1 vorgesehene Parkraumneuordnung wird auf Grund der Sicherstellung des zweiten Rettungsweges vorerst nicht umgesetzt und zu einem späteren Zeitraum, unter Berücksichtigung der aktuellen Richtlinien und Rücksichtnahme der Bedürfnissen von alten Menschen, Kindern, Menschen mit Kinderwägen, Rollatoren, Sehbehinderung, Gehbehinderung oder Rollstühlen, erneut geprüft.
Dieser Satz wird gestrichen:
- Zur Sicherstellung einer Gehwegrestbreite von min. 1,5m wird das halbseitig Parken auf dem Gehweg entsprechend markiert. Dadurch werden ca. 91 Stellplätze legalisiert. Ca. 6 Stellplätze entfallen zu Gunsten von Radabstellanlagen.
Begründung:
Eine Gehwegrestbreite von 1,50 Meter entspricht nicht den aktuellen Empfehlungen und technischen Regelwerken, da sie weder den Anforderungen der DIN 18040-3 an barrierefreie Verkehrsflächen noch den in den EFA (FGSV) empfohlenen Mindestmaßen für eine sichere Begegnung zweier Personen (1,60 MEter) insbesondere von mobilitätseingeschränkten Menschen (1,8m) genügt.
Bei den 1,50 Meter muss bedacht werden, dass die in den Weg ragenden Rückspiegel der Autos, auf dem Weg geparkte Fahrräder, abgestellte Mülltonnen oder Sperrmüll die tatsächliche Breite teils zusätzlich stark reduzieren. Ein Ausweichen auf die Straße ist auf Grund der hohen Bordsteine und des Kopfsteinpflasters für die oben aufgeführten Personengruppen nicht möglich.
Eine Legalisierung statt der aktuellen Duldung des Gehwegparkens mit 1,50 Meter Restbreite ist somit ein Absolut falsches Signal.
Wir bitten um wohlwollende Prüfung unseres Antrags. Vielen Dank.
Kerstin Lau, Marc Arnold, Sebastian Schmitt, Carmen Stockert, Till Mootz