Rede von Kerstin Lau: Wieso Uffbasse die neue Gefahrenabwehrverordnung ablehnt

Waffenverbotszone am Luisenplatz, das Untersagen von Betteln und das Verbot von Alkoholkonsum in Wartehäuschen – die neue Gefahrenabwehrverordnung war eines der großen Themen in der letzten Stavo. Ein ganzes Paket ordnungs- und sicherheitspolitischer Maßnahmen wurde von der Koalition vorgestellt und mit großer Mehrheit verabschiedet.

Unsere Fraktion stimmte dagegen. Die repressiven Maßnahmen zur „Säuberung“ des Luisenplatzes können nicht allein die Lösung sein, um auf verstärkten Konsum von Alkohol und Drogen im öffentlichen Raum zu reagieren.

Gleichzeitig zeigte die neue Verordnung, wie der öffentliche Diskurs vom rechten Rand verschoben wird. Denn noch 2018 stimmte das Stadtparlament mit großer Mehrheit gegen den AfD-Vorschlag zur Errichtung einer Waffenverbotszone. Und die Realität ist heute keine andere. Laut Kriminalstatistik ist Darmstadt weiterhin eine der sichersten Städte Hessen.

Uffbasse-Fraktionsvorsitzende Kerstin Lau übte in ihrer Rede Kritik an der neuen Verordnung.

Rede von Kerstin Lau in der Stavo am 08. Mai 2025

Wir diskutieren heute über eine Verschärfung der Gefahrenabwehrverordnung. In einigen Teilen können wir die Neufassung der Gefahrenabwehrverordnung nachvollziehen, zum Beispiel was aggressives Betteln angeht. Das ist mittlerweile ein richtiges Problem in der Stadt.

Trotzdem bleibt in uns eine Ambivalenz zurück, die dazu führt, dass wir die Vorlage ablehnen werden.

Schauen wir mal auf das zukünftige Alkoholverbot in den Wartehäuschen.  Ja, es gibt Probleme mit alkoholisierten Personen auf dem Luisenplatz. Ja, es gibt Beschwerden. Und ja, es ist eine Aufgabe der Stadt, für öffentliche Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Die Situation in den Wartehäuschen ist oft unschön. Ältere Menschen trauen sich oft nicht mehr, die Wartehäuschen zu betreten, obwohl sie gerne sitzen würden oder sitzen müssten, weil sie von massiv betrunkenen oder suchterkrankten, meist wohnungslosen Menschen belegt sind. Richtig wohl fühlen sich wohl viele nicht mehr in der Nähe von einigen Wartehäuschen.

Aggressionen gehen von diesen Menschen in der Regel aber eher nicht aus, vielmehr sind es meist sie, die verstärkt Opfer von Gewalttaten werden.

Für uns ist die Frage: lösen wir mit einem Alkoholverbot tatsächlich das Problem? Oder verlagern wir es einfach nur? Wenn der Luisenplatz „gesäubert“ wird, was werden die Menschen, die Euch jetzt stören, machen? Sie werden sich in andere Teile der Innenstadt zurückziehen – Wilhelminenstraße, Friedensplatz, Carree oder am Weißen Turm …

Die Thematik verschwindet nicht – sie wird eventuell weniger sichtbar, aber fraglich ist, ob es das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger verbessert, wenn sie auf weniger belebten Plätzen auf suchterkrankte und/oder wohnungslose Menschen treffen.

Im Vergleich zu 1993, als Uffbasse sich aus Protest gegen die Sondernutzung gegründet hat, hat sich die Situation deutlich verschärft. Es sind andere Drogen, andere Formen der Verrohung, eine viel deutlichere Abspaltung vom Rest der Gesellschaft. Viele dieser Menschen sind aus dem Hilfesystem gefallen. Sie sind nur noch schwer erreichbar – für Beratungsstellen, für Ämter, für Hilfsangebote.

Was genau soll die Polizei mit ihnen machen, wenn sie sie vom Luisenplatz vertreibt? Wo sollen sie hin? Und was passiert mit ihnen, wenn wir sie mit ordnungspolitischen Mitteln aus dem Blickfeld schieben? Wie Paul Wandrey sagt, die Leute sind ja bekannt, und jeder Polizist weiß, dass die am nächsten Tag wieder dasitzen. Für die Polizistinnen und Polizisten erhöhen wir noch mal die Härte und Frustration ihres Berufs. Sie sollen ausbaden, was wir gesellschaftlich nicht hinbekommen.

Ordnungspolitische Maßnahmen sind keine Lösung, wir brauchen mehr und bessere Hilfs-Konzepte. Mehr Sozialarbeit, niedrigschwellige Ansprache, aufsuchende Hilfe. Maßnahmen wie Housing First, die zeigen, dass es Alternativen gibt, statt nur Repression.

Wie immer ist hier die Frage: wir machen schon viel, aber machen wir auch das Richtige?

Wie werden wir dem Wunsch gerecht, dass sich alle Menschen in der Innenstadt sicher und wohl fühlen, ohne dass wir Menschen verdrängen, weil sie nicht in das Stadtbild passen? Der respektvolle und faire Umgang mit Menschen, die – aus welchem Grund auch immer – in ihrem Leben gescheitert sind, gehört zu einer humanen Gesellschaft dazu. Wir dürfen gerade in diesen Zeiten, in denen die Ausgrenzungsmechanismen wieder stärker werden, nicht nachlassen in unserem Bemühen um gute Lösungen.

Wir lehnen die Vorlage deshalb ab und werben an dieser Stelle für flankierende soziale Maßnahmen und die Suche nach Lösungen, die über einfache Ordnungspolitische Maßnahmen hinausgehen.

Zur Waffenverbotszone möchte ich nur folgendes sagen, ich erinnere mich, dass wir den AfD-Antrag 2018 hier in diesem Stadtparlament 2018 zurecht ALLE abgelehnt haben.

Wir würden, wenn wir die Möglichkeit zur Abstimmung hätten, heute immer noch ablehnen, weil es einfach keine zielführende Maßnahme ist, um Waffengewalt zu verhindern. Das diese Vorlage heute einfach so umgesetzt wird, zeigt deutlich, wie sehr die Hetze und der rechten Emotionalisierungs-Strategie der AfD greifen und immer mehr in weiten Kreisen gesellschaftsfähig werden. Wir hätten uns hier einen Blick auf die Zahlen und angemessene faktenbasierte Politik gewünscht.

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