Große Anfrage: Neuplanung Rheinstraßenbrücke

Ende 2023 wurden die Bauarbeiten an der 100 Jahre alten Rheinstraßenbrücke plötzlich und überraschend gestoppt. Aus dem Darmstädter Rathaus hieß es, dass veränderte Terminplanungen der Deutschen Bahn die ursprünglichen Planungen verhindern würden.

Auf der Pressekonferenz verkündete man am 21. Dezember 2023: „Die Stadt hat entschieden, die Ausschreibung des Brückenbauwerks aufzuheben und das Projekt komplett neu aufzusetzen. Hierfür soll kurzfristig eine – von den bisherigen Planungen losgelöste – Machbarkeitsstudie durchgeführt werden.“ Heißt: Der bisherige Plan für den Neubau wird verworfen, eine neue Brücke mit neuer Konstruktion (mit weniger Eingriffen ins Gleisbett der Deutschen Bahn) soll entworfen werden.

Der Neubau der Brücke sei notwendig gewesen, weil „die jetzige Brücke der aktuellen Verkehrsbelastung im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr standhält“, so die Stadt, die hier „eines der größten Infrastrukturprojekte der vergangenen Jahrzehnte“ geplant hatte. Der Zustand der Brücke wurde gemäß den Richtlinien für Bauwerksprüfungen mit der Note 3,9 bewertet. Bereits ab Note 3,5 spreche man von einem ungenügenden Bauwerkszustand. Ab der Note 4,0 sei die Brücke nach den geltenden Richtlinien für den Verkehr zu sperren, erklärte die Stadt Darmstadt bei Vorstellung des Bauprojektes noch unter Regie des ehemaligen Oberbürgermeisters Jochen Partsch (Grüne).

Für die Öffentlichkeit ist der Baustopp von vielen Unklarheiten und Fragezeichen gezeichnet. Auch verschiedene Presseberichte konnten nur beschränkt Aufschluss über die Hintergründe, Folgen und Perspektiven rund um die Großbaustelle liefern. Mit einer Großen Anfrage haben wir versucht, Einsicht in die Prozesse zu erhalten. Beantwortet wurden die Fragen von Stadtrat und Dezernent Paul Georg Wandrey (CDU).

Hier listen wir Euch zusammengefasst Kernaussagen, alle Antworten in vollem Umfang findet Ihr untenstehend.

  • Teile der bisherigen Planungen und bereits ausgeführte Arbeiten sollen für den Neustart des Projektes übernommen werden und können eventuell auch übertragen werden.
  • Es liegen keine Regressforderung der involvierten Unternehmen vor.
  • Die bisheringen Projektkosten (Stand 31.12.2023) belaufen sich auf 20, 7 Millionen Euro.
  • Die neue Machbarkeitsstudie läuft bis Ende April 2024, Ergebnisse sollen im Laufe des 2. Quartals 2024 vorgestellt werden.

 

Große Anfrage: Neuplanung Rheinstraßenbrücke 21.01.2024

Frage 1: Wird in den Gesprächen zwischen Stadt und DB über die Fortführung der bisherigen Planung in der Form verhandelt, dass der Bauablauf auf Basis des aktuellen Entwurfs neu koordiniert wird?

Antwort:  In den Gesprächen zwischen Stadt und DB wird über eine Fortführung des Neubauprojektes gesprochen, dass die Herstellung eines Neubaus mit möglichst geringen Eingriffen im Bahnbereich umgesetzt werden kann. Die derzeit laufende Machbarkeitsstudie prüft unter anderem Konstruktionen, die geringere Eingriffe in den Bahnbereich haben als der bisherige Entwurf, der zur Umsetzung kommen sollte. Ziel ist es, den Menschen so schnell wie möglich eine neue Brücke zu verschaffen und ein möglichst geringes Verzögerungsrisiko in der Ausführung zu haben.

 

Frage 2: Welche Planungsleistungen (einschließlich Projektsteuerungsleistungen) sind in welchen Leistungsphasen bereits beauftragt und aktuell vom Planungsstopp betroffen?

Antwort: Sämtliche notwendigen Planungsleistungen für den zur Umsetzung geplanten Entwurf der Brücke sind bis zur Ausführung und Objektüberwachung beauftragt. Die Planungsleistungen für die Verkehrsanlagen (Straßenräume, Straßenbahn, Signalanlagen) sind ebenfalls beauftragt. Diese Leistungen und Planungen können zum jetzigen Kenntnisstand weiterverwendet werden. Die Projektsteuerung ist bis zum ursprünglich geplanten Fertigstellungszeitraum 2027 beauftragt.

 

Frage 3: Welche Bauleistungen sind bereits beauftragt und aktuell vom Baustopp betroffen?

Antwort: Es sind nur Bauleistungen beauftragt, die Arbeiten in den angrenzenden Verkehrsknotenpunkten beinhaltet haben (z. B. Kanalarbeiten, die bereits abgeschlossen sind). Darüber hinaus sind Arbeiten beauftragt und im Wesentlichen bereits ausgeführt, die für den Ab-bruch der Brücke notwendig sind (z.B. Verlegung der Medien auf die Behelfsbrücke). Die Einrichtung und der Betrieb des Einbahnstraßenrings als Umleitung sind ebenfalls Kosten, die unabhängig von der aktuellen Situation des eigentlichen Brückenneubaus notwendig sind.

 

Frage 4: Welche Regressansprüche bestehen seitens der Planung und der Ausführung durch die aus dem Stopp resultierenden Verzögerungen, bzw. möglichen Vertragsauflösungen?

Antwort: Es liegen keine Regressforderung von den beauftragen Planern und Firmen vor.

 

Frage 5: Wie hoch sind die bereits angelaufenen Projektkosten Stand 31.12.2023?

Antwort: Die bis zum 31.12.2023 angefallen Projektkosten belaufen sich auf rund 20,7 Mio €.

 

Frage 6: In welcher Form und durch wen soll die Machbarkeitsuntersuchung durchgeführt werden?

Antwort: Die Machbarkeitsuntersuchung wird durch die Darmstädter Stadtentwicklungs GmbH & Co. KG (DSE) durchgeführt.

Aufgabenstellung ist hier:

  1. Eine Brückenkonstruktion zu finden, welche möglichst geringe Eingriffe in den Bereich der Bahn sowohl in der Bauphase als auch im Betrieb der Brücke hat.
  1. Eine Konstruktion zu finden, die in dem bereits genehmigten Planfeststellungsverfahren möglichst mit einem Änderungsantrag integriert werden kann und kein neues Planfeststellungsverfahren benötigt.
  1. Eine Konstruktion zu finden, die die Schnittstelle der bereits erbrachten Verkehrsanlagenplanung möglichst nur geringfügig verändert.

 

Frage 7: Wie sieht der zeitliche Rahmen für 1) die Definition der Aufgabenstellung, 2) die Beauftragung der Untersuchung, 3) die Bearbeitungszeit der Untersuchung und 4) die Entscheidung über das Ergebnis der Untersuchung bis hin zum Beginn der Wiederaufnahme und Abschluss der Baumaßnahmen aus?

Antwort: zu 1) siehe Antwort zuvor

zu 2) Die Untersuchung erfolgt durch die DSE. Erforderliche Leistungen von Dritten wurden bereits beauftragt.

zu 3) Die Ergebnisse sollen im Laufe des 2. Quartal 2024 vorliegen.

zu 4) Die Entscheidung wird im Anschluss an die Studie getroffen und mit den weiteren notwendigen Verfahren zur Umsetzung begonnen. Unabhängig davon laufen die weiteren Gespräche und Anträge für die notwendigen Sperrpausen zur Umsetzung der Maßnahme ohne Unterbrechung. Ein möglicher Abschluss der Maßnahme kann erst mit den Ergebnissen der Studie definiert werden.

 

Frage 8: Inwieweit wird der Planfeststellungsbescheid vom Februar 2021 von einer Neuplanung tangiert?

Antwort: Die Auswirkungen auf den Planfeststellungsbescheid können erst nach Fertigstellung der Studie bewertet werden. Verweis auf Antwort Frage 6, Punkt 3.

 

Frage 9: Muss bei einer Neukonzeption der Brücke die Planungs- und Bauleistungen neu (europaweit) ausgeschrieben werden?

Antwort: Die Planungsleistungen für die Neukonzeption der Brücke und die Bauleistungen müssen entsprechend der Vergaberichtlinien europaweit ausgeschrieben werden. Dies muss jedoch auch mit der bisherigen Brückenkonstruktion erfolgen.

 

Frage 10: Bedarf es für eine derart weitreichende Entscheidung keinen Beschluss von Magistrat und Stavo?

Antwort: Nein.

 

Frage 11: Wer übernimmt die Verantwortung, sollte sich nach einiger Zeit herausstellen, dass der Baustopp und die Neuplanung eine Fehlentscheidung waren.

Antwort: Die Verantwortung können Sie beim Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt und in Persona bei mir verorten. Allerdings trage ich genauso die Verantwortung, wenn durch die aktuell vorliegende Verzögerung in Folge der nicht erfolgten Baufeldfreimachung der Brückenbau sich auf mehrere Jahre verzögert. In dieser schwierigen Abwägungssituation habe ich mich auf Grundlage der mir vorliegenden Informationen, der Einschätzung der DSE und des Fachamtes zu diesem zwar weitreichenden, aber konsequenten Schritt entschlossen.

Die nicht durchgeführte Baufeldfreimachung führte dazu, dass derzeit keine Brücke gebaut werden kann. Die von Seiten der Bahn vorgegeben Speerzeiten sind mit dieser nicht vorhanden Leistung nicht mehr passend für den ursprünglichen Projektablauf. Bei Beibehaltung der ursprünglichen Brü-ckenkonstruktion müsste man zum jetzigen Zeitpunkt mit einer Verzögerung von mindestens 2 Jah-ren rechnen. Tendenziell eher mehr.

 

Frage 12: Ist für die zu erwartenden Mehrkosten im aktuellen Haushaltsentwurf Geld eingeplant?

Antwort: Durch die Projektänderung sind die Mittelabflüsse in den Haushaltsjahren 2024ff auf die Situation angepasst. Sprich die noch zur Verfügung stehenden Mittel aus dem ursprünglichen Beschluss werden auf die jetzige Situation im Haushalt angepasst. Im Zuge des weiteren Planungsprozesses werden die entsprechenden Kosten für das Projekt neu definiert und dann entsprechend über eine neue Beschlusslage auf die Haushaltsjahre verteilt.

 

In dem Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 21.12.2023 ist die Rede davon, …dass die Bahn die Stadt bereits Mitte Oktober über den Personalengpass informiert habe. Nach einem Gespräch mit Klaus Vornhusen, dem Konzernbevollmächtigten der DB für Hessen, habe Anfang November „Gewissheit bestanden“, dass das Vorhaben neu geplant werden müsse, sagte Wandrey.

Frage 13:  Wieso hat sich die Stadt erst ca. 7 Wochen später am 21.12.2023 in ihrer Presseerklärung öffentlich dazu geäußert?

Antwort: Zu diesem Zeitpunkt lief ein Vergabeverfahren für die Hauptbaumaßnahme. Es musste erst zu 100% sicher gestellt werden das es keine andere Lösung gibt, um die geplanten Bauabläufe in den vorhandenen Speerpausen umzusetzen, um hier das Verfahren auch entsprechend rechtsicher beenden zu können.

Dieser Zeitraum wurde zu einer seriösen Prüfung der Situation und möglicher Alternativen genutzt. Eine frühere Presseveröffentlichung hätte lediglich den negativen Umstand der nicht vorhandenen Baufreiheit beleuchtet, jedoch keine Lösungsoptionen geboten. Darüber hinaus lief zum damaligen Zeitpunkt noch die Ausschreibung der Hauptbaumaßnahme. Es musste zunächst rechtssicher ge-prüft werden, ob das Verfahren ohne Vergabe beendet werden kann.

 

Frage 14: Wurde vor dem 21.12.2023 in den politischen Gremien darüber berichtet?

Antwort: Nein. Die Entscheidung wurde jedoch mit dem Oberbürgermeister und dem Planungsdezernenten besprochen und einvernehmlich getroffen.

Mit freundlichen Grüßen
Paul Georg Wandrey
Stadtrat

 

PDF Download der Großen Anfrage

Foto: Wissenschaftsstadt Darmstadt

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