infoveranstaltung: rechte szene, symbole und strukturen

Rechts Szene im Fokus
 
mittwoch 26.11.08 ab 9.30 uhr im berufsschulzentrum, alsfelderstrasse 23, darmstadt

Das im Vorfeld der vergangenen Landtagswahl in Darmstadt gegründete Bündnis gegen Rechts lädt für Mittwoch (26.) zu einem Aktionstag gegen Rechts in die Heinrich-Emanuel-Merck-Schule im Berufsschulzentrum Nord, Alsfelder Straße 23, ein.

Um 9.30 Uhr beginnt die Antinazikoordination Darmstadt, Mitglied im Bündnis, mit ihrer Präsentation “Rechte Szene, Symbole und Strukturen”. Um 11.30 Uhr hält Historiker Hannes Heer einen Vortrag zum Thema “Genug erinnert?”. In einer um 13.30 Uhr beginnenden Podiumsdiskussion diskutieren unter anderem Hannes Heer, Horst Raupp (DGB) und Schülervertreter darüber, wie der Rechten Szene entgegengetreten werden kann. Den Aktionstag in der Schulstraße und in Raum 301 der Merckschule vervollständigt die Ausstellung “Neofaschismus” der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.
 

2 Kommentare

  1. Rundschau vom 27.11.08

    Neonazis auf dem Schulklo
    In der Merck-Schule kam es beim Aktionstag gegen Rechts zu scharfen Kontroversen
    Von Sebastian Weissgerber
    Die Neonazis haben es sich nicht nehmen lassen. Auch beim Aktionstag des Bündnisses gegen Rechts im Berufsschulzentrum Nord setzten sie ihre Marke. Auf der Toilette fand sich ein Aufkleber der Kameradschaft Darmstadt, die im Internet zum “nationalen Widerstand” aufruft.
    “Der Aufkleber sah frisch aus”, sagte Dirk Völlger von der Antinazikoordination. Er hielt einen Vortrag über Strukturen rechtsextremer Gruppen – und ging auch auf die Kameradschaft Darmstadt ein: “Es ist unbekannt, wer dahinter steckt, aber es müssen Leute sein, die in der Sache sehr gefestigt sind.” Ihre Flugblätter und Schmierereien würden vor allem zu bestimmten Veranstaltungen auftauchen, wie dem Freundschaftsspiel des SV Darmstadt 98 gegen einen israelischen Verein.
    Die Podiumsdiskussion des Aktionstags war scharf. Der Lehrer Rudolf Bersch sagte zu dem Historiker Hannes Heer: “Wenn Sie mit Erinnern meinen, was Sie in Ihrem Vortrag beschrieben haben, dann ist genug erinnert worden.” Heer kritisiert in seinen Büchern Versuche, die Schuld der Deutschen am Holocaust auf Hitler zu reduzieren. Er entgegnete Bersch, dieser würde die Kriegsverbrechen der Nazis gegen die der Alliierten aufrechnen.
    Die Debatte drehte sich auch um Menschenrechtsverletzungen in der heutigen Bundesrepublik. Ein Schüler erwiderte dabei unter Applaus: “Gegenüber anderen Staaten liegt Deutschland mit seinem Sozialsystem ganz weit vorne. Jeder hat das Recht, die Schule zu besuchen und zu studieren.”
    Doch auch der deutsche Staat grenze Minderheiten aus, erklärte Anja Willmann (DGB-Jugend): “Das Grundgesetz hat Paragraphen, die nur für Deutsche da sind und es gibt Gesetze, gegen die können nur Ausländer verstoßen, wie die Residenzpflicht.” Julius Geibel (Uffbasse) ergänzte: “Bei einem Schulausflug in ein anderes Bundesland dürfen Ausländer mit Duldungsstatus nicht mit”. Die Initiatorin des Aktionstages, Lehrerin Renate Dreesen, berichtete: “Wir müssen den Aufenthaltsstatus von Schülern kontrollieren.” Sie sei verpflichtet, Kinder, die illegal in Deutschland leben, zu melden. Reinhard Treue von der Antinazikoordination kritisierte die Flüchtlingspolitik. “Jedes Jahr sterben an den Grenzen 20 000 Menschen, weil sich die EU nach außen abschottet.” Das sei nunmal nötig, erklärte ein Schüler: “Wir können die nicht alle aufnehmen.” Wir müssen sogar, meinte Reinhard Treue von der Antinazikoordination. Nach Jahrhunderte lang anhaltender Ausbeutung sei Europa das Afrika schuldig.
    Auch wenn dieses Unrecht nicht rassistisch, sondern finanziell motiviert sei, erkannte Dreesen in ihrem Schlusswort eine Gemeinsamkeit: “Es geht um Ausgrenzung und Chancen, die Menschen verweigert werden.”
    Siehe Kommentar

    Kommentar
    Nachhilfe gegen Rechts
    Von Sebastian Weissgerber
    Es beschämt, wenn ein Lehrer an einer deutschen Schule sagt, es sei genug an die Verbrechen der Nazis erinnert worden. Schließlich sei auch der Luftangriff auf Darmstadt ein Verbrechen. Nun, das war er. Aber Opfer lassen sich nicht aufrechnen.
    Es beschämt, wenn junge Menschen in Deutschland glauben, in diesem Land hätten alle die gleichen Rechte. Nun, das sollten sie. Aber so ist es nicht. Tatsächlich werden Ausländer durch Gesetze benachteiligt. Migranten haben schlechtere Chancen. Die Flüchtlingspolitik verachtet und tötet Menschen.
    Der Aktionstag im Berufsschulzentrum Nord war nötig. Wie nötig, zeigte die Diskussion. Bei ihr trat zu tage, dass rechte Ansichten nicht nur statistisch in 20 Prozent der Bevölkerung verbreitet sind, sondern auch ganz konkret unter den Anwesenden. Erschreckend, dass sie sich getraut haben, ihre Meinung kundzutun. Und doch gut, dass sie es getan haben. So hörten sie die Gegenargumente, die braune Parolen entkräften.

  2. darmecho vom 28.11.08

    Antisemitische Sprüche bei Jugendlichen
    Gesellschaft : Aktionstag des Bündnisses gegen Rechts mit Podiumsdiskussion in der Merckschule

    Rechtsextreme Einstellungen finden laut einer Studie bei 15 bis 20 Prozent der deutschen Bevölkerung Zustimmung, sagt Anja Willmann von der Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Etwa 22 Prozent seien außerdem der Meinung, Ausländer sollten in ihre Heimat zurückgehen, wenn es für deutsche Bürger zu wenige Arbeitsplätze gibt.
    Beim Aktionstag des Bündnisses gegen Rechts, das gemeinsam mit Renate Dreesen von der Initiative “Gedenkort Güterbahnhof” veranstaltet wurde, haben in der Heinrich-Emanuel-Merck-Schule Vertreter des Stadtschülerrates (SSR), der Antinazikoordination und anderer Institutionen mit Schülern bei einer Podiumsdiskussion über die Problematik der Ausländerfeindlichkeit und der deutschen Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg diskutiert.

    “In der Schule gibt es heute Rassismus, der von vielen nicht wahrgenommen wird”, sagt Lino Köhler vom SSR. Jugendliche benutzten beispielsweise antisemitische Sprüche, über deren Herkunft sie gar nichts wüssten. Oft würden Schüler außerdem unbewusst T-Shirts tragen, auf denen eine rechtsextreme Musikband abgebildet sei. “Das Problem ist, dass es heutzutage schwierig ist, eine Grenze zwischen Nazi-Propaganda und harmlosen Äußerungen zu ziehen”, erzählt Dirk Peters von der Merckschule.

    Reinhard Treue von der Antinazikoordination weiß, dass neben den aktiven Rechtsextremen der Alltags- und Staatsrassismus ein Problem sei. Mit Gesetzen, die teilweise nur für Deutsche Staatsbürger gelten, werde eine Ausgrenzpolitik betrieben. Schüler mit einem Duldungsrecht dürften bei einer Klassenfahrt nicht über die Landesgrenzen hinaus, wirft Julius Geibel von Uffbasse aus dem Publikum ein.

    Auf den Einwand hin, dass es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern freundlich zugehe, sagt ein Zuhörer: “Man muss sich nur anschauen, wie Schwarze in der U-Bahn kontrolliert werden oder wie an den Außengrenzen von der Europäischen Union mit Einreisenden umgegangen wird.” Es sei ein Rückfall in die Barbarei, wenn sich die EU so abschotte, dass an den Grenzen tausende Flüchtlinge sterben, betont Treue. “Das ist eine Vorenthaltung von Lebensrechten.”

    Lehrer Thomas Schmidt erklärt, der staatliche Rassismus habe heutzutage nichts mit Rasse, sondern mit Wohlfahrts-Chauvinismus zu tun und erntet Zustimmung im Publikum. “Wer Geld mitbringt, kann rein, wer den Staat belastet, muss draußen bleiben.”

    Laut Bundeskriminalamt sind in Deutschland im Jahr 2007 über 18ˆšÂ¢€šÃ‡Â¨€šÃ„¶000 rechtsextreme Taten verübt worden, sagt Horst Raupp vom DGB. Die momentane Situation sei gefährlich: “Die Neonazis haben empfindsame Antennen und erkennen schnell, wo sie willkommen sind.” Deswegen sei es wichtig Courage zu zeigen und neben dem Verbot der NPD die Freizeitangebote für Jugendliche zu stärken, lautet sein Appell an die Politik.

    Während der Diskussion wird das Thema der deutschen Schuld an der Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg angesprochen. Historiker Hannes Heer ist der Meinung, die historische Schuld müsse akzeptiert werden. Keiner von heute sei schuld an der Vergangenheit, aber man müsse wissen, dass es passiert ist. “Das Erinnern”, gibt Horst Raupp den Schülern mit auf den Weg, “heißt, sich jeden Tag für Demokratie einzusetzen”.

    dari
    28.11.2008

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