Antrag und Rede: Korrektur der Personalbedarfsplanung „Fortschreibung Rahmenkonzept Schulsozialarbeit“

Antrag für die Stadtverordnetenversammlung am 28. Juni 2022.

Korrektur der Personalbedarfsplanung „Fortschreibung Rahmenkonzept Schulsozialarbeit“ (MV 2022/0133)

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen,

Der Magistrat wird gebeten,

eine korrigierte Personalbedarfsplanung für die Schulsozialarbeit nach den „Leitlinien Schulsozialarbeit“, die der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit als Mindestausstattung benennt, zu erstellen. Die dem Rahmenkonzept Schulsozialarbeit (MV 2022/0133) zugrundeliegende Bedarfsrechnung benennt deutlich zu wenige Vollzeitkräfte pro Schüler:innen.

Begründung:

Die grundsätzliche Bemühung zur Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit, wie in MV 2022/0133 beschrieben, ist zu begrüßen. Weniger verständlich ist jedoch die Bedarfsrechnung des „Rahmenkonzept Schulsozialarbeit“. Die hier abgebildeten Personalschlüssel gehen mehr als deutlich an fachlichen Empfehlungen vorbei.

In den „Leitlinien Schulsozialarbeit“ benennt der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit als Mindestausstattung eine Vollzeitkraft auf 150 Schüler:innen.

Das vorliegende Darmstädter Rahmenkonzept erreicht in seiner Zielsetzung diesen Wert nicht mal für Förderschulen. Hier sollen pro Vollzeitkraft 250 Schüler:innen betreut werden. An Grundschulen 500 und an Gymnasien 2.500. An Beruflichen Schulen wird gar mit 5.000 Schüler:innen pro Vollzeitäquivalent gerechnet.

Mit Blick auf die gegenwärtig immensen Herausforderungen im Bildungswesen und der Sozialarbeit ist diese Bedarfsrechnung nicht nachvollziehbar.

Bundesweit meldeten Kinderintensivstationen für 2021 viermal so viele Suizidversuche von Kindern und Jugendlichen im Vergleich zum Vorjahr, das Patientenaufkommen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist bereit vor der Corona-Pandemie stetig gestiegen, mittlerweile kann der Bedarf in Folge von Vereinzelung nach Reduktion sozialer Kontakte kaum noch gedeckt werden, Bildungsdefizite nach zwei Jahren Schulschließung und Home-Schooling sind längst nicht aufgeholt.

Die Dringlichkeit Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in einschneidenden Lebensphasen möglichst umfassend zu begleiten ist höher denn je. Wenn das Ziel ist, dass diese sich zu eigenständigen, mündigen Menschen entwickeln und ihr volles Potenzial entfalten, ist entschiedener Tatendrang gefordert.

Um Bildungschancen zu erhöhen, um Benachteiligungen auszugleichen, Übergänge in Lebensphasen zu unterstützen und auch Gesundheit, Selbstvertrauen, Problemlösungsfähigkeiten zu fördern, aber auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Suchtrisiken, Suchtverhalten, Ernährung, Sexualität etc. zu ermöglichen, ist die außerordentliche Stärkung von Schulsozialarbeit unabdingbar.

Konzeptuelle Prämisse darf hierbei kein knapper Personalschlüssel sein. Vielmehr müssen Angebote geschaffen werden, um nicht nur die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu erreichen, die Probleme machen, sondern die vor allem auch die, die Probleme haben! Nirgends sonst als in Schulen sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene besser erreichbar. In diesem Sozial- und Lebensraum gilt es Strukturen und Angebote zu schaffen, die wirkungsvoll greifen – mit deutlich ausreichenden Ressourcen.

Wir bitten um wohlwollende Prüfung unseres Antrags.

Vielen Dank

Kerstin Lau, Marc Arnold, Sebastian Schmitt, Carmen Stockert, Till Mootz

DIE LINKE. Darmstadt Stadtverordnetenfraktion

SPD Darmstadt Fraktion

 

Rede von Kerstin Lau zum Antrag:

Ich bringe ein für die Fraktionen Uffbasse, Die Linke und die SPD den Antrag ein, eine korrigierte Personalbedarfsplanung für die Schulsozialarbeit nach den „Leitlinien Schulsozialarbei“, die der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit als Mindestausstattung benennt, zu erstellen.

Grundsätzlich begrüßt die Fraktion Uffbasse die Bemühung zur Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit, wie in MV 2022/0133 beschrieben.

Wir haben mittlerweile etwas Zweifel am sozialräumlichen Konzept, weil es für die Schüler:innen eine hohe Selbstorganisation erfordert, die Ansprechpartner der Träger genau in den knapp bemessenen Anwesenheitszeiten zu erreichen, die oft nur durch einen Zettel an der Tür ausgehängt sind.

Den Mitarbeitenden geht durch die Aufteilung auf mehrere Standorte viel Zeit für den realen Kontakt und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verloren. Die Idee der sozialräumlichen Aufteilung basierte ursprünglich auf der Idee der Schule als Lebensort, wovon wir immer noch, nicht zuletzt auch durch räumliche und personelle Engpässe, weit entfernt sind. Wir verstehen aber, dass sich dieses Konzept nicht so einfach umstellen lässt.

Nicht verständlich ist für uns jedoch die Bedarfsrechnung des „Rahmenkonzept Schulsozialarbeit“ auf der letzten Seite der Vorlage. Die hier abgebildeten Personalschlüssel gehen mehr als deutlich an fachlichen Empfehlungen vorbei.

In den „Leitlinien Schulsozialarbeit“ benennt der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit als Mindestausstattung eine Vollzeitkraft auf 150 Schüler:innen.

Das vorliegende Darmstädter Rahmenkonzept erreicht in seiner Zielsetzung diesen Wert nicht mal für Förderschulen. Hier sollen pro Vollzeitkraft 250 Schüler:innen betreut werden. An Grundschulen 500 und an Gymnasien 2.500. An Beruflichen Schulen wird gar mit 5.000 Schüler:innen pro Vollzeitäquivalent gerechnet. Dabei sind gerade die jungen Menschen an Berufsschulen gefordert in der Gestaltung von wichtigen Lebensübergängen und stehen oftmals persönlichen oder beruflichen Herausforderungen gegenüber.

Bundesweit meldeten Kinderintensivstationen für 2021 viermal so viele Suizidversuche von Kindern und Jugendlichen im Vergleich zum Vorjahr, das Patientenaufkommen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist bereit vor der Corona-Pandemie stetig gestiegen, mittlerweile kann der Bedarf in Folge von Vereinzelung nach Reduktion sozialer Kontakte kaum noch gedeckt werden, Bildungsdefizite nach zwei Jahren Schulschließung und Home-Schooling sind längst nicht aufgeholt.

Die Dringlichkeit Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in einschneidenden Lebensphasen möglichst umfassend zu begleiten ist höher denn je. Wir haben die Befürchtung, dass die Schulsozialarbeit vor allem nur die Kinder- und Jugendlichen erreicht, die in irgendeiner Form auffällig sind. Das Leiden an der Gesellschaft findet oft aber auch leise statt. Nicht zuletzt deshalb fordert der Gesetzgeber Angebote der Jugendhilfe für ALLE Kinder- und Jugendlichen bis 27 Jahren, ungeachtet ihres sozialen Hintergrundes – weil die Lebensphase als solche besonderen Belastungen unterliegt.

Es müssen ausreichend Angebote geschaffen werden, um nicht nur die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu erreichen, die Probleme machen, sondern vor allem auch die, die Probleme haben!

Der Bedarfsrechnung liegt eine politische Positionierung zugrunde und die ist natürlich dem finanziellen Ressourcenmangel geschuldet. Trotzdem könnte man auch an vielen Stellen andere Prioritäten setzen und mehr Mittel für die Schulsozialarbeit einsetzen.

Natürlich gibt es noch andere Angebote der Kinder- und Jugendhilfe. Schulsozialarbeit ist aber ein besonders guter Ansatz. Nirgends sonst als in Schulen sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene besser erreichbar. In diesem Sozial- und Lebensraum gilt es Strukturen und Angebote zu schaffen, die wirkungsvoll greifen – mit deutlich ausreichenden Ressourcen.

Unsere Meinung nach müssen es deutlich mehr Schulsozialarbeitende sein, in allen Schulformen. Wir freuen uns, wenn Sie sich unserer Einschätzung anschließen und wir gemeinsam darauf hinarbeiten, dass wir zumindest annähernd den Empfehlungen des Leitfadens Schulsozialarbeit folgen.

Um Bildungschancen zu erhöhen, Benachteiligungen auszugleichen, Übergänge in Lebensphasen zu unterstützen, Gesundheit, Selbstvertrauen, Problemlösungsfähigkeiten zu fördern und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Suchtverhalten, Ernährung, Sexualität etc. zu ermöglichen, ist die personelle Stärkung der Schulsozialarbeit unabdingbar.

Wir bitten um Ihre Zustimmung.

 

 

Foto: Taylor Wilcox on Unsplash