Antrag: Bewerbung als Modellregion für Cannabis-Legalisierung

Mit einem Antrag für die Stadtverordnetenversammlung am 11. Mai 2023 brachten wir das Thema Cannabis-Legalisierung auf die Tagesordnung der Sitzung. Nach einer Debatte im Plenum wurde der Uffbasse-Antrag in Zusammenarbeit mit der Regierungskoaltion (Grüne/CDU/Volt) um Verfahrensdetails ergänzt.

Mit den Änderungen findet der Antrag einstimmige Zustimmung und wird faktionsübergreifender Beschluss verabschiedet. Wir freuen uns sehr, dass die parlamentarische Arbeit in dieser Sache zu einer handfesten Lösung führte, die überparteilich Merheitsfähig wurde. Ein tolles Beispiel für lebhafte Demokratie und praktische, sachliche Kommunalpolitik.

Hier findet Ihr jetzt die Beschlüsse des Antrags sowie die ursprüngliche Begründung des Uffbasse-Antrags sowie Kerstin Laus Rede.

Antrag: Bewerbung als Modellregion für Cannabis-Legalisierung der Bundesregierung

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen, der Magistrat wird gebeten,

1. Zur Vorbereitung des Modellversuchs Cannabis wird der Magistrat beauftragt, ein Fachgespräch zur Legalisierung von Cannabis zu initiieren.
2. Sobald die Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung von Cannabis durch einen entsprechenden Gesetzesentwurf im Bundestag beschlossen wurden, wird der Magistrat beauftragt, mit einer entsprechenden Magistratsvorlage die Bewerbung der Wissenschaftsstadt Darmstadt als Modellregion vorzubereiten und der Stadtverordnetenversammlung zum Beschluss vorzulegen.

 

Begründung: 

Mitte April 2023 präsentierte die Bundesregierung Pläne zur Cannabis-Legalisierung vor: „CARe“ (Club Anbau & Regionalmodell). Vorgesehen ist hier, dass in einem ersten Schritt der private Eigenanbau sowie Anbau von Cannabis in Vereinen bundesweit legalisiert wird. Die zweite Säule bilden Modellregionen. In diesen soll der kommerzielle Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften ermöglicht werden.

Hierdurch eröffnen sich endlich handfeste Perspektiven für eine Entkriminalisierung von Cannabiskonsum sowie Möglichkeiten für eine verantwortungsbewusste Legalisierung. Cannabis ist längst eine Volksdroge. Der Konsum sollte genauso normal und legal sein wie der von Alkohol.

Die Kriminalisierung wirkt heutzutage wie ein Relikt und völlig aus der Zeit gefallen. Aktuell werden in Deutschland 10 Millionen strafrechtliche Ermittlungsverfahren aufgrund von Cannabisdelikten geführt. Mehr als 500.000 Menschen wurden infolge der Prohibition von Cannabis inhaftiert. So werden jährlich Millionen Steuergelder verschwendet.

Das neue Papier der Bundesregierung verspricht endlich Fortschritt. Vorgesehen ist, dass in Modellregionen Unternehmen „in einem lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmen“ die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe von Genusscannabis in Fachgeschäften für Erwachsene erlaubt werden soll.

Das Projekt zielt in dieser Form darauf ab, den Cannabis-Schwarzmarkt zurückzudrängen, den Verbraucht nicht mehr zu stigmatisieren und zu kriminalisieren sowie den Bezug von Cannabis aus dem illegalen Handel mit anderen harten Drogen herauszulösen. Dies erschwert und verhindert den Einstieg in stärkere Drogen und ermöglicht, Kinder, Jugendliche und Verbraucher deutlich gezielter und wirksamer zu schützen. Nicht zuletzt auch, weil durch den legalen Verkauf Steuereinnahmen generiert werden, die eine Finanzierung von Schutz- und Aufklärung ermöglichen.

Begleitet wird das Projekt dabei von einer wissenschaftlichen Prüfung und ergebnisoffenen Evaluation. Gewonnen werden sollen Erkenntnisse zu den Auswirken auf Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt. Ziel ist, die Ergebnisse auch dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission zur Verfügung zu stellen. Hierfür bietet die Wissenschaftsstadt Darmstadt, aufgrund ihrer Bevölkerungsstruktur, ihrer vergleichsweise überschaubaren Größe und ihres zur Studienbegleitung geeigneten akademischen Umfelds ideale Strukturen.

 

Rede von Kerstin Lau

Ob das von der Bundesregierung beschlossenen Zwei-Säulen-Modell, dass mehr Sicherheit beim Konsum von Cannabis bringen soll, der richtige Schritt hin zu einer progressiven Cannabispolitik ist, darüber lässt sich bestimmt streiten.

Trotzdem sollte die Stadt Darmstadt die Möglichkeit nutzen, sich für den regionalen Modellversuch zu bewerben, mit denen die Auswirkungen kommerzieller Lieferketten auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt genauer untersucht werden sollen.

Gemeinsam mit der TU Darmstadt könnten wir eine Vorreiterrolle einnehmen und die Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung wissenschaftlich begleiten und auswerten.

Die Teilnahme an einem solchen Pilotversuch bietet verschiedene Vorteile.

  • Durch die Qualität und Kontrolle des THC-Gehalts des verkauften Cannabis erfolgt eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes. Aktuell wird Cannabis auf dem Schwarzmarkt mit allem möglichem vermischt, manchmal sogar mit Blei, weil es schwer ist. Die Auswirkungen auf die Gesundheit kann sich wohl jeder vorstellen.
  • Die Stadt generiert mehr Steuereinnahmen, die wir dann z.B. für Verbilligungen im Bereich der Außengastronomie nutzen können.
  • Der Schwarzmarkt für illegale Drogen verliert ein wesentliches Element.
  • Wir wären eine der ersten Kommunen, die die ganzheitliche Verwertung von Hanfpflanzen und die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten testen kann.
  • 2017 wurde durch das Gesetz „Cannabis als Medizin“ Patientinnen und Patienten die Möglichkeit eröffnet, bei schwerwiegenden Erkrankungen medizinisches Cannabis als Therapiealternative oder Begleitmedikation zu nutzen.

Der Hauptgrund, sich als Modellregion zu bewerben und das Thema der Cannabis-Legalisierung entscheidend voranzubringen ist für mich aber die Entkriminalisierung des Konsums und die damit einhergehende Entlastung der Justiz- und Strafvollzugsbehörden.

Aktuell werden in Deutschland mehr als 10 Millionen strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Menschen aufgrund von Cannabisdelikten geführt. Mehr als 500.000 Menschen wurden infolge der Prohibition von Cannabis inhaftiert.

Für mich sind diese Statistiken erschreckend. Cannabis ist eine Volksdroge und die Kriminalisierung nur ein Relikt alter Zeiten, welches jedes Jahr viele Millionen oder gar Milliarden an Steuergeldern verschlingt und Menschen kriminalisiert.

Leider habe ich keine konkreten Zahlen zu den Cannabisdelikten, die von Verwaltungsbehörden und Gerichten in Darmstadt bearbeitet werden.

Diese Auswirkungen mögen zwar banal klingen, für Betroffene aber haben diese strafrechtlichen Verfolgungen zahlreiche, gegebenenfalls existenzbedrohende Auswirkungen,

Konkrete verwaltungsrechtliche Bestimmungen für den Gebrauch von Cannabis in Darmstadt sind mir nicht bekannt. Ich weiß aber, dass die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihres Ermessens von einer Verfahrenseinstellung Gebrauch machen kann, dies aber nicht muss (siehe „Eigenbedarf- oder Toleranzgrenze“, § 31a Abs. 1 S. 1 BtMG). In Hessen hat sich dabei meines Wissens eine (verglichen mit Berlin oder NRW) niedrige Toleranzgrenze von bis zu 6 Gramm durchgesetzt. Diese zusätzliche rechtliche Unsicherheit zwischen den Bundesländern sorgt neben der sowieso bereits unverhältnismäßigen Verfolgung auch noch für Intransparenz und Willkür. Der Bundesgesetzgeber hat es verpasst, konkrete Ermessensspielräume in dem Gesetz zu normieren.

Darmstadt hat ausreichend Konsument:innen und auch eine gute Infrastruktur, was den legalen Vertrieb von medizinischem Cannabis angeht. Auf diese Infrastruktur könnte man bei der Legalisierung zurückgreifen.

Ein weiterer Ansporn ist auch die Bewerbung von Offenbach und Frankfurt als Modellregion. Es wäre toll, wenn man den Effekt der Cannabis Legalisierung im Verbund der Rhein-Main-Region untersuchen könnte. Beide Städte wollen ja, wie ich den Medien entnehmen konnte, eine gemeinsame Bewerbung einreichen, vielleicht wäre es möglich, sich dieser Bewerbung anzuschließen?

Uns ist bewusst, dass die rechtlichen Grundlagen noch nicht komplett geklärt sind. Wir hoffen, dass auf Ebene der EU alsbald die nächsten Schritte ergriffen werden, um eine umfassende Entkriminalisierung und eine verantwortungsbewusste Legalisierung zu ermöglichen.

Trotzdem benötigt es ja auch Vorbereitungszeit, ein solches Vorhaben umzusetzen. Es wäre schön, wenn die Stadt die Entscheidung jetzt schon trifft, damit mit den nötigen Vorbereitungen begonnen werden kann.

Es wird kommunale Pläne geben müssen, die einen konfliktfreien Übergang zur Legalität ermöglichen. Außerdem muss es das Ziel der Legalisierung sein, Qualitätsstandards sicherzustellen, effektiven Jugendschutz zu gewährleisten und den Schwarzmarkt zu bekämpfen. Hierfür sind gezielte Maßnahmen zu ergreifen, mit deren Planung man nicht rechtzeitig genug anfangen kann.

Dass die CDU auch für die Legalisierung ist, freut uns zu hören. Und natürlich liegt uns der Kinder- und Jugendschutz am Herzen. Wir sind uns wohl alle einig, dass jede nicht konsumierte Droge am gesündesten ist. Aber wir müssen auch mal von der Verlogenheit wegkommen. Alkoholkonsum ist ab 16 erlaubt, in Begleitung sogar ab 14. Und Cannabis ist ja sogar als medizinisches Produkt anerkannt, das ist mir von Alkohol nicht bekannt. Die Bundesregierung hatte viel Beratung durch Experten, wir müssen die Fachdiskussion wohl nicht erneut hier vor Ort führen. Wir bitten um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag.

Die Rede findet Ihr auch in der Video-Aufzeichnung der Stavo (ab Zeitmarke 4:28:30): https://media.video.taxi/embed/ZIamNzRW5XAU?t=13759

 

Foto: Ryan Lange on Unsplash