Dazu Kerstins Rede:
Wenn man in den letzten Tagen auf Ausschüssen war konnte man immer wieder Stadtverordnete hören, die sich über die hysterischen emotionalen Eltern der Bessunger Schule mokiert haben.
Nun – ich bin eine dieser emotionalen Mütter. Der Raum mit der höchsten Asbestbelastung, Raum 227 – ist das Klassenzimmer meines Sohnes.
Die Eltern der Bessunger Schule mögen an der einen oder anderen Stelle überreagieren, Tatsache ist, dass das, was an dieser Schule passiert ist, viele Fragen aufwirft.
Wir Eltern wollen Antworten.
Antworten auf die Frage, wie es sein kann, dass man unsere Kinder einen Tag auf Wanderschaft schickt um die Fenster auszuwechseln, ohne danach zu überprüfen, ob eine Schadstoffbelastung entstanden ist.
Wer die Kinder am nächsten Tag in die Klassenräume gelassen hat, obwohl alle Verordnungen vorschreiben, dass nach Asbestarbeiten eine gründliche Säuberung durch eine Spezialfirma zu erfolgen hat.
Wer dafür verantwortlich ist, dass die Asbestplatten an der Außenfassade angeblich wegen Personalmangel doch zerschlagen und nicht im Ganzen abgenommen wurden.
Wieso wurden in einer bekanntermaßen schadstoffbelasteten Schule keine Sedimentsproben auf den Deckenplatten entnommen, vor allem nachdem diese 2004 in den Fluren geöffnet wurden?
Wer hat die Lehrer und Eltern beauftragt, die Klassenräume nach den Sommerferien zu säubern?
Wurden die Kinder schon in das Asbestregister eingetragen?
Was passiert mit den Schulbüchern und den persönlichen Dingen der Schüler?
Warum wird der schwachgebundene Asbest in der Jungentoilette überhaupt nicht mehr erwähnt?
Hat in irgendeiner Form Spritzasbest vorgelegen?
Diese und viele andere Fragen sind noch offen.
Wir fordern von der Stadt eine lückenlose Aufdeckung und die Offenlegung ALLER Untersuchungen, Gutachten und Messergebnisse sowie des Schadstoff-Sanierungskonzeptes für die Bessunger Schule. Sollten diese nicht zeitnah zur Verfügung gestellt werden, werden wir alle parlamentarischen Möglichkeiten ausschöpfen, die uns zur Verfügung stehen.
Die Forderung nach einem Eintrag in ein Asbest- oder Krebsregister sollte überdacht werden. Diese Register werden auch von Versicherungen und Arbeitgebern abgefragt, was zu großen Nachteilen für die Kinder führen kann.
Die von Stadtrat Wenzel getroffene Entscheidung die Schule bis auf weiteres zu schließen und die Sanierungsarbeiten am Stück durchzuführen, ist die einzig richtige Entscheidung gewesen.
Wie aber soll Vertrauen in die Stadtverwaltung entstehen wenn auch jetzt Versprechen nicht eingehalten werden, die auf der Elternversammlung gemacht wurden. So steht den Kindern die zum Unterricht und zur Betreuung in den Containern auf dem Schulhof verbleiben mussten, nicht wie versprochen ein Wagen mit Wassertoilette zur Verfügung, sondern nur Dixieklos. Wie man sich vorstellen kann mit so vielen kleinen Kindern ein begrenztes Vergnügen. Kleinigkeiten eigentlich, die aber notwendige Mindestmaßnahmen sind, um die Situation halbwegs erträglich zu gestalten. Und daran ändert sich auch nichts durch den Plan, die Betreuung sowieso in absehbarer Zeit in die ehemalige Drogenberatung in der Bessunger Str. 80 zu verlegen. Das nicht einlösen der den Eltern gemachten Versprechen zeigt die Wertigkeit, mit der die Forderungen eingeschätzt werden.
Unhaltbar ist der Zustand, dass die Bauaufsicht weiterhin bei den Firmen liegt, die während der Sanierungsarbeiten ihre Bauaufsicht grob verletzt haben. Wir fordern, dass ein unabhängiger Gutachter die Arbeiten überprüft.
Die Bessunger Schule ist so schnell wie möglich wieder zusammenzuführen. Der Verbleib an mehreren über Darmstadt verteilten Standorten ist nicht hinnehmbar und stellt eine große Belastung für Kinder, Lehrer und Eltern dar.
Die Bessunger Schule ist nicht die einzige Schule in Darmstadt, die eine Schadstoffbelastung aufweist. Das Schulbausanierungsprogramm ist zu überarbeiten. Durch die Ereignisse hat sich gezeigt, dass es nicht möglich ist, schadstoffbelastete Schulen im laufenden Betrieb zu sanieren. Wenn man an diesen Schulen beginnt zu sanieren müssen die Kinder präventiv ausquartiert und die Sanierungsarbeiten zügig in einem umgesetzt werden, um eine Gefährdung der Kinder zu vermeiden.
Das kostet Geld. Viel mehr Geld aber kostet es, während des Betriebs zu sanieren und dann plötzlich die Schule ohne Ausweichpläne schließen zu müssen.
Es wäre eine Überprüfung wert, ob die für die Bessunger Schule in hoffentlich sehr naher Zukunft angemietete Immobilie nach Abschluss der Baumaßnahmen nicht auch für andere Schulen als Ausweichquartier zur Verfügung stehen sollte.
Schulen und Krankenhäuser sind sensible Bereiche, in denen der eigentliche Asbestgrenzwert von Null unbedingt eingehalten werden muss. Zwar lässt die Asbestverordnung eine Übertretung des Nullwertes während Sanierungsarbeiten vorübergehend zu, an Schulen und Krankenhäusern ist dies jedoch nicht akzeptabel.
Vertrauensverlust ist ein harmloses Wort für das, was die Eltern, Kinder und Lehrer an der Bessunger Schule erfahren haben. Vertrauensverlust verdeutlicht leider überhaupt nicht, welche Ängste und Sorgen die Beteiligten derzeit umtreiben. Wenn man sich nicht einmal mehr darauf verlassen kann, dass der Schutz von Kindern bei allem, was in einer Stadt durchgeführt wird, an oberster Stelle steht, auf welche Werte soll man sich dann überhaupt noch verlassen können?
Die Anfangs erwähnte Hysterie, die man eigentlich vermeiden wollte, wurde jedenfalls durch die spärliche Informationspolitik erst richtig geschürt.
Presse Update:
Frankfurter Rundschau 3.11.2007:“Asbestfall schlägt weiter Wellen”
DE 2.11.2007:“Molter schließt zwei Standorte nicht aus”