Rede von Kerstin Lau in der Stadtverordnetenversammlung zum Thema Lichtwiesenbahn

Darmstadt, den 22.03.2018

Ich werde hier jetzt nicht mehr die Argumente für und gegen die Lichtwiesenbahn nennen. Wir haben dazu relativ ausführlich auf unserer Homepage Bezug genommen. Nach fünf Jahren Diskussion über die Lichtwiesenbahn sind die Argumente auch ausgetauscht und es macht wenig Sinn, alles noch mal durchzukauen. Zumal wir heute ja auch nicht über den Bau der Lichtwiesenbahn entscheiden, sondern über die Änderung des Flächennutzungsplans. Die Lichtwiesenbahn selbst ist ja schon 2015 mit den Stimmen der Grünen, der CDU und der FDP beschlossen worden. Auch wenn die FDP das heute nicht mehr so gerne hört.

Unabhängig von allen kleinteiligen Diskussionen, die in den vergangenen Monaten geführt wurden, hat sich wohl eines ganz klar gezeigt:

Die Stadt und die heag mobilo waren nicht in der Lage, der Bevölkerung das Gesamtkonzept dieser Maßnahme verständlich zu erklären. Viel zu lange hat man geschwiegen und sich hinter der Koalition versteckt, die das Ding schon irgendwie durchwinken würde. Insofern war die Abplanung der Mittel letztes Jahr ein heilsamer Schock, der die Heag mobilo gezwungen hat, sowohl die Argumente der BI als auch unsere offenen Fragen zu beantworten. Die Qualität und Aussagekräftigkeit der Antworten bzw. des Gutachtens wird individuell ganz unterschiedlich wahrgenommen und das ist auch okay so. Man kann immer jedes Gutachten anzweifeln, aber letztendlich ist ein Gutachten auch nur ein Puzzleteil in einer politischen Entscheidung und am Ende ist jede politische Entscheidung auch immer ein Bauchgefühl.

Wie schon bekannt, werden zwei Leute für die Lichtwiesenbahn stimmen. Ich nenne mal exemplarisch die jeweiligen Hauptgründe, natürlich ist es aber immer ein Konglomerat an Gründen, dass einen Entschluss festigt.

Jürgen Barth stimmt zu, weil er sagt, es ist einer Wissenschaftsstadt angemessen, dass die Universität eine eigene Linie hat, wenn sie das möchte. Das ist Standard in den meisten Universitätsstädten, warum soll das in Darmstadt nicht so sein? Die TU an der Lichtwiese ist kontinuierlich ausgebaut worden und es sollen in den nächsten Jahren noch weitere Fachbereiche an die Lichtwiese verlagert werden, warum also keine eigene Anbindung vom Hauptbahnhof aus, wenn 53 Prozent der Studenten direkt vom Hauptbahnhof oder vom Luisenplatz aus einsteigen.

Georg Hang, der sich unglaublich viel Zeit genommen hat, alle Argumente Pro und Contra zu prüfen, mehrmals mit der heag mobilo alle Alternativlösungen mit Bussen geprüft und selbst berechnet hat, befürwortet die Lichtwiesenbahn, weil sie für ihn der Beginn eines Verkehrskonzeptes für den Ostkreis ist und er die dringende Notwendigkeit sieht, die Buslinie K und damit die Bewohner des Woogsviertels zu entlasten. Die jetzige Situation ist seiner Meinung nach schlecht und wird mit zunehmender Zahl von Studierenden und Beschäftigten noch schlechter, deshalb ist Nichtstun für ihn keine Option und die Variante Straßenbahn­ bei gleichem Preis die bessere Lösung als eine mit Bussen.

Auch die Uffbasse Gegner der Lichtwiesenbahn haben unterschiedliche Gründe für ihre Ablehnung.

Flo Tafesse würde der Lichtwiesenbahn zustimmen, wenn die Verlängerung erfolgen würde. Sie würde heute ablehnen, weil es für sie nicht nachvollziehbar ist, dass die Änderung des Flächennutzungsplans jetzt so erzwungen wird, obwohl es eigentlich keinen Zeitdruck gibt. Sie glaubt, dass diese Hauruckentscheidung in einem Zusammenhang mit der anstehenden Landtagswahl steht und unter Zeitdruck keine guten Entscheidungen möglich sind.

Marc Arnold lehnt ab, weil er selbst im Woogsviertel gewohnt hat und die Diskussion um die überfüllten Busse für überzogen hält. Er sagt, zu den Stoßzeiten ist es in allen Linien voll, warum sollte das Woogsviertel da bevorzugt Abhilfe bekommen? Zu den meisten Zeiten fahren die Busse leer durch die Gegend. Er findet es außerdem schlecht, dass sich die Anbindung der Leute ans Bölle reduziert, was den Zustand vor allem für Menschen aus dem Landkreis verschlechtert.

Ich selbst lehne ab, weil es wichtigere Dinge in Darmstadt gibt, für die man Geld ausgeben sollte. Und wenn es denn eine neue Straßenbahn sein muss, wäre für mich eine Bahn in den Ostkreis, nach Weiterstadt oder in die Heimstättensiedlung wichtiger. Mich stört die Türöffnerfunktion dieser Bahn, der ständige Wachstumsgedanke, der dahintersteht. Darmstadt mit seinen 161000 Einwohnern hat für mich eine Größe erreicht, die nicht mehr weiter steigen sollte. Darmstadt ist im Begriff, sein liebenswertes Gesicht zu verändern. Die Bebauung von Grünflächen gehört für mich dazu, zumal wir zwar 30 000 neue Einwohner haben, aber nirgendwo eine neue Grünfläche oder ein Naherholungsgebiet hinzu gekommen sind.

So kann es vollkommen unterschiedlich Gründe geben, warum jemand Zustimmt oder Ablehnt. Dennoch ist es äußerst unbefriedigend, dass eine solche Maßnahme vom Stimmverhalten einer kleinen Wählervereinigung abhängt und mit nur einer Stimme Mehrheit entschieden werden muss. Aber dafür sind nicht wir, ist nicht Uffbasse verantwortlich. Jeder von uns weiß, warum er seine Entscheidung so trifft wie er sie trifft.

Das Abstimmungsverhalten wäre mit Sicherheit  deutlich positiver oder negativer, egal in welche Richtung, wenn jeder so stimmen würde wie er es wirklich denkt. Denn die Reihen sind nicht so fest geschlossen, weder die der Opposition dagegen, noch die der Koalition dafür. Wir werden hier und heute kein ehrliches Ergebnis erzielen, und das liegt nicht an uns. Es liegt wieder mal an Eurem Fraktionszwang. Den werden wir wohl auch heute nicht aufbrechen können, aber damit wir uns in 10 Jahren noch erinnern können, wer wie gestimmt hat und um jedem die Chance zu geben, nach bestem Wissen und Gewissen abzustimmen, beantrage ich namentliche Abstimmung.

Dass unser Abstimmungsverhalten in der Öffentlichkeit jetzt so diskutiert wird, als seien wir gegenüber der Koalition eingeknickt (warum sollten wir das tun und was hätten wir davon? Die Koalition ist auf uns angewiesen, nicht wir auf die Koalition) führe ich auf eine Art von Bigotterie zurück. Sprich: da wird fleißig Grün-Schwarz gewählt und vielleicht mal drei Stimmen an die Frau Lau von Uffbasse vergeben, aber wenn dann irgendwas geplant wird, was nicht passt, dann soll sich Uffbasse gefälligst verbiegen und ihre absolute Grundregel, nämlich die der freien Abstimmung jedes Abgeordneten, die in 18 Jahren Uffbasse genau einmal aufgehoben wurde, ignorieren. Sorry, aber so funktionieren wir nicht.

Und ich kann auch ganz genau sagen, warum wir auch in diesem Fall unserer Regel folgen und die Abstimmung frei geben: es handelt sich um eine Investition in den ÖPNV, die auf jeden Fall ihre Nutzer findet. Es geht hier nicht um eine Entscheidung, die die Stadt nachhaltig schädigen wird, weder finanziell noch baulich. Man kann andere Prioritäten sehen, aber wir haben alle in unseren Wahlprogrammen stehen, dass wir den ÖPNV fördern und ausbauen wollen und die schlechten Verbindungen, die Unpünktlichkeit, der fehlende Komfort des ÖPNV werden oft genug von der Bevölkerung kritisiert, aber wenn es dann tatsächlich mal zu einer neuen Linie kommt, kann man fast meinen, hier würde eine neue Autobahn mitten durch alle Parkanlagen der Stadt gebaut. Jeder hat in dieser Stadt Lieblingsplätze und für nicht wenige ist es eben die Lichtwiese. Aber es darf  politisch auch  nicht  nur um die Beachtung von Partikularinteressen gehen. Und das ist das, was bei mich an der allgemeinen Diskussion etwas stört: Jeder fängt auf einmal an, irgendwelche Routen in den Stadtplan zu malen, die weitaus teurer wären, einen deutlich höheren Flächenverbrauch hätten und nie eine positive NKU bekommen würden. Aber sie würden eben andere tangieren, und nicht den eigenen Wohlfühlort. Diese Haltung befremdet mich. So favorisiert die BI auf einmal die sogenannte Siebert Lösung, die von der Strecke her dreimal so lang ist, schätzungsweise zwischen 45 und 50 Millionen Euro kosten würde und von den jährlichen Betriebskosten merklich teurer pro Jahr wäre.

Das liegt kurz gesagt daran, dass die Siebert-Linie ganzjährig und an Wochenenden fahren müsste, da der K-Bus ja komplett wegfallen soll.

Gleichzeitig stört mich extrem, dass es der Heag mobilo nicht möglich ist, die Kosten für eine oberleitungsfreie Strecke, die die Lichtwiese optisch deutlich weniger beeinträchtigen würde, auch nur annäherungsweise zu nennen. Die Oberleitungen sind ja auch bei anderen Streckenerneuerungen, wie z.B. in der Frankfurter Str ein Thema. Und warum ist es so schwierig, mal ein anderes Konzept der ”Stromzufuhr” anzudenken bzw. warum wurde so etwas nicht schon längst mal geprüft? Warum liegen keine Berechnungen vor, welches Batteriemodell wieviel Kosten verursacht inklusive einer Aufstellung aller Vor- und Nachteile? Das wirkt nicht innovativ, das wirkt eher so, als würde man sich auf dem Status quo ausruhen.

Auch war es der Heag mobilo nicht möglich, innerhalb von drei Monaten die Kosten für eine Verlängerung der Lichtwiesenbahn an den Bahnhof Odenwaldbahn zu errechnen. Denn eine solche Verlängerung würde unserer Meinung nach, und da sind wir dann inhaltlich in unserer Einschätzung wieder zusammen, Sinn ergeben und zum Beispiel eine Verbindung zwischen einem Parkhaus, also einer Park and Ride Station und der Stadt ermöglichen. Wir brauchen ein bezahlbares nachhaltiges Gesamt-Verkehrsentlastungskonzept für den Ostkreis und keine Flickschusterei an einzelnen Stellen. Der Osten Darmstadts ist durch eine Reihe von Herausforderungen im verkehrlichen Bereich belastet. Die Situation wird geprägt von den Einpendlern und den Regionalbussen aus den Landkreisen. Dazu kommen perspektivisch noch die Besucher des Weltkulturerbes. Generell ist davon auszugehen, dass das Verkehrsvolumen in Darmstadt weiter zunimmt.

In einem Gesamtkonzept für den Verkehr im Osten soll eine Verlängerung der Lichtwiesen­bahn  betrachtet werden – als mögliche Anbindung der angedachten Mobilitätsstation und/oder bis zum Bahnhof TU Licht­wiese der Odenwald­bahn.

Da morgens die Pendler von Osten in die Innenstadt und Studierenden in Gegenrichtung aus der Stadt zur Lichtwiese fahren, spätnachmittags dann umgekehrt ergäbe die Einbindung in eine solche Lösung eine verbesserte Auslastung als die derzeit geplante “Schienen-Sackgasse”.

Die Wendeschleife der Lichtwiesenstraßenbahn könnte aus der Mitte des Campus Lichtwiese verlegt und damit die Aufenthaltsqualität des Bereichs vor dem neuen Medien- und Hörsaalzentrum deutlich weniger beeinträchtigt werden.

Ich stelle deshalb für die Fraktion Uffbasse den Antrag:

Die Lichtwiesen­bahn bzw. eine Verlän­gerung derselben soll Bestandteil eines für die Verkehrssituation im Osten der Stadt dringend notwendigen Gesamtkonzeptes werden, zum Beispiel, um eine künftige Mobilitäts­­station per Straßenbahn mit der Innenstadt zu verbinden