Die geplante Fusion des öffentlichen Klinikum Darmstadt mit dem Krankenhaus Elisabethenstift („E-Stift“) des evangelisch-kirchlichen Betreibers Apaglesion ist eines der großen aktuellen stadtpolitischen Themen. Im Zuge der geplanten Krankenhausreform des Bundes soll eine Konsolidierung der Krankenhauslandschaft stattfinden.
In der Stadtverordnetenversammlung vom 25. September wurde über den ersten Schritt des Zusammenschlusses abgestimmt: Die Gründung einer gemeinsamen Holdingstruktur der beiden Häuser. Uffbasse hat sich hierbei enthalten. Die Gründe hierfür findet ihr hier.
Die Ausgangslage
Um unsere Haltung zur möglichen Fusion des Klinikums Darmstadt mit dem E-Stift zu verstehen, müssen wir zuerst auf das Gesundheits- und Krankenhauswesen im Allgemeinen schauen. In Deutschland ist das Gesundheitswesen durch die Beiträge der Versicherten gedeckt. Dabei sind circa 90 Prozent der Bevölkerung in den gesetzlichen Krankenkassen versichert. Diese zahlten im Jahr 2024 321 € Mrd. für Leistungen. Dazu kommen noch mal 40,3 € Mrd. durch private Krankenversicherungen. Nun ist das Gesundheitswesen kein freier Markt, in dem ein Mehr an Fällen zu mehr Einnahmen führt.
Es bewegen sich verschiedene Akteure im Bereich von Krankenhäusern. So gibt es Maximalversorger (wie das Klinikum Darmstadt), Spezialkliniken, Kliniken der öffentlichen Hand, christliche Träger sowie private Träger. Diese Vielfalt an Häusern, sei es in Ausrichtung oder Betreiber, führt leider zu einer schiefen Verteilung der Versicherungsbeiträge.
Gerade private Kliniken zielen auf Profit, aber auch andere versuchen durch Spezialisierung oder mit einfachen Operationen, die akkordartig durchgeführt werden, möglichst nur rentable Fälle zu behandeln.
Maximalversorger hingegen halten eine breite („maximale“) Palette an Behandlungsmöglichkeiten vor und bearbeiten komplexe Fälle, Notfälle aller Art … der Aufwand und die Kosten hierfür sind hoch. Ein solches Haus „wirtschaftlich“ zu betreiben, ist deutlich herausfordernder, für die Versorgung der Bevölkerung jedoch essenziel. Deswegen gehört für uns die Gesundheitsvorsorge und im Besonderen das Krankenhauswesen in die öffentliche Hand.
Warum wir dennoch offen für eine Fusion sind
Der medizinische Teil der Fusion ist sehr gut ausgearbeitet. Die Fokussierung des Klinikums auf stationäre Medizin und Notfälle, sowie der Schwerpunkt des E-Stift auf ambulante Medizin schafft Platz für Neues. So soll im Klinikum eine Weaning Station (Therapie chronischer Beatmungsstörung) und im E-Stift Platz für Neurologie Phase B entstehen. So wird für Darmstadt und Südhessen ein besseres medizinisches Angebot geschaffen.
Mit diesem Konzept steht die Fusion bundesweit unter Beobachtung und gilt als eine der ersten Blaupausen der geplanten Klinikreform der Bundesregierung. Auch finanziell sehen die Pläne vielversprechend aus: Aus Konkurrenten werden Partner.
Warum wir der Fusion nicht zustimmen konnten
Als Besitzerin des Klinikums haben wir, die Stadt Darmstadt, auch besondere Verantwortung gegenüber den rund 3.500 Beschäftigten des Klinikums. Wir sehen, dass sich viel Mühe gemacht worden ist, diesen ausreichend Sicherheit zu geben. Gleichzeitig sind noch Fragen offen und bedürfen Zeit für die Ausarbeitung.
So wurde ein Kündigungsschutz im Zusammenhang mit der Fusion vereinbart. Auch soll eine Anlehnung an den TVöD stattfinden und ein Haustarif entwickelt werden. Dieser ist derzeit jedoch wenig konkret. Es muss klar sein, dass der TVöD heute und morgen eins zu eins gilt, bis auf die Problematik der zwei verschiedenen Zusatzversorgungskassen. Denn Tarif ist nicht nur Entgelt, sondern auch Zulagen, Arbeitszeiten, Stichtage für Entgelterhöhungen…
Auch das noch zu erarbeitende Leitbild steht noch nicht. Für uns ist klar: Unsere medizinische Versorgung muss sich an der Wissenschaft orientieren und nicht an christlichen Glaubensgrundsätzen.
Auch sehen wir Risiken für die geplante dritte Stufe der Fusion. Wir befürchten, dass durch die endgültige Fusion beider Häuser doch noch das Kirchenarbeitsrecht durch die Hintertür aufgezwungen werden könnte.
Auch hier braucht es Zeit, um hier alle Zweifel auszuräumen. Denn kirchliches Arbeitsrecht bedeutet den Verlust des Streikrechtes für gerechte Löhne. Auch die Vertretung der Mitarbeiter würde dann nicht durch einen Betriebsrat im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes stattfinden, sondern mit weniger Rechten nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz.
Fazit
Die Klinikfusion ist prinzipiell zu begrüßen, allerdings fehlen uns die letzten Sicherheiten, um die Mitarbeiter guten Gewissens in die Holding zu übergeben.
Foto: Klinikum Darmstadt GmbH