Rede: Seb Schmitt zum Haushalt 2023

Sehr geehrter Stadtverordnetenvorsteher, Liebe Kollegen und Kolleginnen,

Wie jedes Jahr ist die Haushaltsdebatte eine langwierige und ritualisierte Diskussion. In dem für mich nun achten Durchgang habe ich nun die Ehre, oder vielleicht auch die Bürde, meine erste Haushaltsrede zu halten.

Wie nähert man sich nun einen Haushalt mit circa 1.000 Seiten, mit Erträgen und Aufwendungen die die 800 Millionen Marke übersteigen, die sich wiederum auf über 160 Produkte also Leistungen, die die Stadt erbringt, verteilen. Und wie ist das ganze vernünftig einzuordnen?

Um eine Einordnung des Haushaltes zu erleichtern, eignen sich natürlich Vergleiche. Der einfachste Vergleich ist der zeitliche. Praktischerweise liefert die der Haushalt diesen zum Teil direkt mit. Das Ergebnis 2021 und der Plan für 2022 sind Teil des Dokuments und ein Vergleich ist einfach. In meinen Unterlagen habe ich noch den Haushalt 2013 gefunden. Der sah damals Aufwendungen in Höhe von 453.066t Euro bei einem Defizit von 27 Millionen Euro vor. Somit haben wir eine Erhöhung der Aufwendungen um 80 Prozent in zehn Jahren. Zum Glück ist das nicht einfach nur die Inflation, sondern auch der Modernisierung der Schulen, Schwimmbäder und städtischen Einrichtungen zu verdanken. Als Zeichen dafür verdoppelten sich die Abschreibungen bei IDA in diesem Zeitraum. Auch wenn die Aufgaben gleich geblieben sind, so haben sich doch auch die Anforderungen geändert, bzw. werden neuerdings besser erledigt. Ein Beispiel wäre hier die Kinderbetreuung. Die Anzahl der Betreuungsplätze stieg in den Zehn Jahren um circa ein Drittel und wir erreichen eine Betreuungsquote von über 100 Prozent im Ü3-Bereich bzw. haben 40 Prozent mehr Plätze im U3-Bereich.

Im zeitlichen Vergleich können wir also feststellen: wir geben viel mehr aus als früher, aber es stehen auch bessere Leistungen dahinter, die den Bürgern und Angestellten zu gute kommen.

Bevor ich noch auf einzelne Produktbereiche eingehe, möchte ich aber noch einen zweiten Vergleich wagen: Wie stehen wir gegenüber anderen Kommunen da? Um keine komplette Studie daraus zu machen, beschränke ich mich auf ein paar kreisfreien Städte in Hessen.

Da wäre Wiesbaden. Die Stadt der Schönen und Reichen. Wie wir besitzt Wiesbaden ein Staatstheater und hat auch vergleichbare Pro-Kopf-Aufwendungen. Auch wie Darmstadt planen die Wiesbadener ihren Haushalt mit einem Defizit im Ergebnishaushalt. Also bezieht sich das Reiche wohl eher auf die Bürger als die Kommune selbst.

Dann wäre da Offenbach. Kein Staatstheater, kein Schwimmbad und ihnen langen 4.400 Euro Aufwendungen pro Bürger… ; Darmstadt liegt bei über 5.100 Euro; und oh Wunder, das arme Offenbach plant im Gegensatz zu Wiesbaden und Darmstadt einen Überschuss im Ergebnishaushalt von 6,5 Millionen Euro … nun mag der ein oder andere Offenbach-Vergleiche doof finden, vor allem wenn Offenbach diese gewinnt, aber der nächste Vergleich macht es net besser.

Kassel, im Fußball wie Offenbach abgehängt, sonst vergleichbar wie Darmstadt. Staatstheater, Schwimmbad und ein Weltkulturerbe. Gibt aber mit 4.600 Euro pro Kopf Aufwendungen 500 Euro weniger aus und liegt auf einem vergleichbaren Niveau wie Offenbach. Dazu auch ein Überschuss von 1,6 Millionen Euro.

Nun wo wir die Vergleiche mehr oder vielleicht auch weniger zufriedenstellend abgeschlossen haben, möchte ich noch auf ein paar Details eingehen:

Zum PB02: Hier will ich auf das Produkt für Ausländerangelegenheiten eingehen. Der einfachste Teil der Hausaufgaben ist gemacht und es werden ordentlich Stellen aufgeplant. 12 weitere FTE ist eine Erweiterung um circa ein Drittel. Nur, diese müssen auch mit passendem Personal besetzt werden und die Prozesse so angepasst werden damit unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger endlich eine schnelle und somit auch wertschätzende Bearbeitung ihrer Anliegen bekommen.

PB03: hier zeigt sich Mal wieder, dass die Kommunen vom Land zwar Vorgaben bekommen, das Land aber kein passendes Finanzierungsmodell bereit stellt. Auf den Gymnasien haben wir einen Gastschüleranteil von 29 Prozent, die vom Land festgesetzten Gastschulbeiträge decken aber nur 20 Prozent der Kosten. Somit profitieren die Landkreise in Höhe von ca. 1 Millionen Euro allein bei den Gymnasien. Auch über alle Schulformen findet mit 7.500 Schülern zu 1.500 Schülern kein echter Ausgleich statt.

PB04: Kultur und Wissenschaft, beides Themen, mit denen wir uns rühmen. 25 Jahre Wissenschaftsstadt, Weltkulturerbe und ein Staatstheater, welches uns nostalgisch auf die alte Wichtigkeit als Regierungssitz blicken lässt. Sicherlich auch weiche Faktoren für eine liebenswerte Stadt, aber keine Pflichtleistung. Als „freiwillige Leistung“ unterstützen wir zum Beispiel jeden Staatstheaterbesuchenden mit 127 Euro städtischen Mitteln. Die Mittel des Landes kommen da noch oben drauf. Während das Staatstheater satte 19 Millionen Euro bekommt, muss sich die Freie Szene mit 1,1 Millionen Euro begnügen. Die Freie Szene muss mit ihrem Zuschuss Leben und der städtische Haushalt steht alles andere als gut da, aber bei den Leuchttürmen Staatstheater und Welterbe Mathildenhöhe werden keine Abstriche gemacht oder geduldet.

Im PB06 geht es mir besonders um die Schulsozialarbeit. Erst kürzlich forderte der Ethikrat für Kinder mehr Therapieplätze. Dazu stellte er fest dass gerade die Schulsozialarbeit, im Lebensraum Schule, eine niedrigschwelliges Angebot ist. Er verortet die Zuständigkeiten klar bei der Schule. Nun sind wir in dem Bereich organisatorisch gut aufgestellt. Nur müssen wir eigentlich hier das Angebot deutlich ausweiten, damit wir auch alle Kinder erreichen. Im Haushalt steht irreführenderweise, wir hätten einen Versorgungsgrad von 100 Prozent. Nur bezieht sich die Zahl lediglich darauf, dass der Leistungserbringer 100 Prozent der ihm übertragenen Leistungen erbringt. Also das er an jeder Schule seine Soll-Stunden leistet unabhängig vom Bedarf der Kinder und Jugendlichen. So fordern wir seit Jahren eine zeitliche Ausweitung der Schulsozialarbeit um möglichst alle Bedarfe abzudecken, die wie der Ethikrat feststellt, durch die Pandemie sogar noch gestiegen sind.

Beim Thema Investitionen sind keine neuen oder überraschenden Projekte dabei. Mit 29,1 Millionen Euro liegen Berufsschulzentrum und Heinrich Hoffmann Schule mit vorne. Uns persönlich wichtig: 1,8 Millionen Euro für den Neubau des Kontaktladens Scentral.

Die digitale Bauakte, mit 1,9 Millionen Euro, eine nicht allzu großer Posten, aber meiner Meinung nach wichtig.

Denn ich komme schon langsam zum Schluss:

In dem kommenden Jahr gehen auch 12 Jahre Oberbürgermeister zu Ende. In seiner Rolle als oberster Verwaltungschef ist viel passiert: Weltkulturerbe, Start eines fahrradfreundlichen Stadtumbaus, Fokussierung auf Klima schützende Maßnahmen… zugegeben manchmal hat es auch einen kleinen Arschtritt in Form eines gescheiterten Bürgerbegehrens gebraucht. In der Verwaltung wurde der Rote Filz beseitigt, auch wenn manche bereits von einem Grünen Filz reden… aber an Unterstellungen möchte ich mich nicht beteiligen.

Nur eine Sache wurde nicht konsequent angegangen. Die Modernisierung der Verwaltung mit einem Optimierung der Verwaltungsabläufe. Was im kleinen gelang, die Neuaufstellung von IDA in Zusammenarbeit mit der DSE, bei der die Rechtsform den geringsten Einfluss hat, wird in der Verwaltung als ganzes vermisst. Ich sage nur ausgedruckte E-Mail in Postfächern und drei Monate, um einen Termin fest zu legen…

Aber ich glaube, wir haben gutes Personal und würden die Prozesse digitalisiert und optimiert, würde bei gleichem Aufwand der Output deutlich wachsen und somit der Haushalt und die Mitarbeiter entlasten. Eine Aufgabe die nun von der neuen Oberbürgermeisterin zu erledigen ist.

Haben wir uns letztes Jahr, in der schwierigen Pandemie Zeit, aus Verantwortung gegenüber den Bürgern und der schwierigen Wirtschaftslage enthalten, müssen wir dieses Jahr den Haushalt ablehnen. Die Zeiten bleiben wirtschaftlich schwierig und es mangelt an Reaktion darauf. Es ist auch nicht absehbar, dass die nächsten Haushalte besser aussehen. Aus diesem Grund muss die Koalition den Haushalt alleine tragen.

Das Presseecho:

https://www.fr.de/rhein-main/darmstadt/darmstadt-25-millionen-euro-fehlen-im-kommunalhaushalt-2023-91974322.html

https://www.echo-online.de/lokales/darmstadt/darmstaedter-haushalt-mehrheit-fuer-die-schwarze-null-2150411

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